Eine Mitteilung aus der Interventionistischen Linken.
Von weiter her nach Frankfurt zu kommen und dort mehrere Tage zu bleiben, ist keine Kaffeefahrt. Rheumadecken haben wir nicht im Angebot. Wir wissen: Widerstand gegen die kapitalistische Krise ist ein soziales Verhältnis, dessen Ort der Alltag ist, überall. Trotzdem kann es sich lohnen, die tägliche Auseinandersetzung exemplarisch zu verdichten und die politische Zuspitzung selbst zu setzen.
Wir kommen wieder. Blockupy 2012 war nur der erste Höhepunkt einer politischen Intervention weit über den Moment hinaus. Das wahnwitzige Sicherheitsszenario des Staates hat bewiesen, was die Macht tun wird, sobald wir ins Schwarze zielen – und treffen. Bürger_innenrechte? Demonstrationsfreiheit? Formelle Demokratie? Umstandslos außer Kraft gesetzt, auf Anweisung des politischen Personals. Schon deshalb machen wir Frankfurt in diesem Frühjahr ein zweites Mal zu einem Knotenpunkt des Kampfes gegen die deutsch-europäische Troika. Wenn wir dabei auch die offenbaren Schwächen und Mängel unseres ersten Anlaufs beheben wollen, zielt das nicht nur auf technisch-taktische Verbesserungen dessen, was wir und viele andere vor einem Jahr mit dem internationalen Aktionstag „M31“ und den Maifestspielen des Blockupy-Ungehorsams versucht haben. Vom 31. Mai bis zum 2. Juni 2013 werden wir uns vielmehr über die kommenden Möglichkeiten verständigen und zusammen erproben, wie das alltägliche Krisenkommando der Vereinzelung und Einschüchterung auf Dauer zu unterbrechen ist. Es geht uns deshalb nicht um die Etablierung eines Rituals, sondern um die neuerliche Öffnung des politischen Raums für eine radikale gesellschaftliche Linke. Einer Linken, die sich in direkter Aktion einübt in den langen transnationalen Kampf um die europäischen Krise.
I. Ein kurzer Blick zurück
Blockupy 2012 und M31 waren der Versuch, auch in Deutschland den Anschluss an die Massenproteste Südeuropas zu finden. Denn wenn die deutschen Polit- und Finanzeliten der erste Profiteur und deshalb der Antreiber der Troika sind, dann auch deshalb, weil sie dabei durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens gedeckt sind, der nicht zuletzt auf der Zustimmung großer Gewerkschaften beruht. In Frankfurt mit denen zusammenzukommen, die sich diesem Konsens verweigern, war von daher zuerst einmal ein Gruß an die Empörten von Griechenland, Spanien, Portugal und Italien, die sich Tage zuvor in deutlich größerer Zahl versammelt hatten. Diese Geste der Solidarität mit den Platzbesetzungen und Massenstreiks im Süden Europas war aber zudem bewusster Versuch, die Grenzen des deutschen Krisenkorporatismus auch nach innen, den Widerstand auch in Deutschland sichtbar zu machen. Zum Erfolg von Blockupy 2012 gehört deshalb, dass die gemeinsame Verabredung von radikalen Linken, globalisierungskritischen und Occupy-Aktivist_innen, oppositionellem gewerkschaftlichen Protest und der Partei DIE LINKE breiten Zuspruch gefunden hat: Wer nach Frankfurt kam, wollte mehr als die legale Protestbürokratie aus Flugblatt-Kundgebung-Latschdemo. Zwar bleibt die Selbstermächtigung in direkter Aktion und inter- bzw. transnationaler Solidarität der besondere Einsatz der radikalen Linken, doch hat sich gezeigt, dass wir darin längst nicht mehr alleine stehen. Blockupy 2013 wird das vertiefen.
Gelingen kann das auch deshalb, weil das erregte Zittern in den Stimmen paranoider Provinzpolitiker und Polizeiführer anderen gezeigt hat, dass der legale Rahmen jederzeit implodieren kann: Wähnt sich das Kapital in Gefahr, spielt Demokratie keine Rolle mehr. Das haben viele erneut verstanden. Und: Mittlerweile ist nicht nur für Linksradikale zum Gemeinplatz geworden, dass der Kapitalismus selbst die Krise ist, und dass es deshalb nicht um die »Gier« der Banker, das Irresein neoliberaler Ideolog_innen, die »Entfesselung der Finanzmärkte« geht. Immer mehr Menschen ahnen, dass die Polit-, Medien- und Finanzentourage im Spektakel der immer neuen Ultimaten einer Politik am Abgrund (gestern Griechenland, Island, Spanien, Italien, heute Zypern) den Druck nach unten weitergibt, von dem sie selbst getrieben wird.
II. Das Kapital ist die Krise
Der Kapitalismus ist aber nicht nur deshalb selbst die Krise, weil er unser Leben einer immer rücksichtsloseren Ausbeutung unterwirft, weil er in Europa Hunderttausende, im globalen Süden Milliarden in eine zum Teil mörderische Armut zwingt. Er ist nicht nur deshalb die Krise, weil er die Erde ausplündert, die Luft und die Flüsse, die Seen und Meere verpestet und die ganze Welt mit den imperialistischen Gemetzeln des »Kriegs gegen den Terror« überzieht. Der Kapitalismus ist die Krise, weil die Krise von Anfang an die Bedingung, die Form und die Dynamik des Systems des privaten Eigentums war und das bis zu seinem Ende auch bleiben wird: in allen gesellschaftlichen Verhältnissen und nicht nur im Hinblick auf Ausbeutung, Verarmung und Entrechtung. Zur Krise, die der Kapitalismus selbst ist, gehört die permanente Umwälzung und Entgrenzung seiner Produktions- und Reproduktionsweisen. Das betrifft nicht nur die Ökonomie und die Politik, das trifft auch und gerade die Verhältnisse und Beziehungen des alltäglichen Lebens und Zusammenlebens: Auch sie werden immer neu umgewälzt, aufgelöst, gewaltsam neu zusammengesetzt, wieder zerrissen. Wird die von außen auferlegte Disziplin gelockert, nimmt die ins Innere der Subjekte verlegte Kontrolle zu; reicht die Kontrolle im Innern nicht mehr aus, wird die Disziplin von außen verschärft, nötigenfalls durch die älteste Form der Erpressung, den Entzug der Mittel zum blanken Überleben.
Wenn die Krise das Kapital »über die ganze Erdkugel« jagt, es dazu zwingt, sich zur Steigerung des Profits »überall einzunisten, überall anzubauen, überall Verbindungen herzustellen« (Marx/Engels), dann wird es dazu auch von den Kämpfen getrieben: den Kämpfen in und um die Produktion wie denen in und um die Reproduktion, den Kämpfen um die Ökonomie wie um das Recht, um die Politik, die Ideologie, um die Weisen des alltäglichen Lebens und Zusammenlebens, um die Weisen, sich zueinander und zu sich selbst zu verhalten.
Die Krise, die das Kapital selbst ist, ist von daher immer auch seine Antwort auf einen vieltausendfachen, vielgestaltigen Widerstand. Für die emanzipatorischen Bewegungen heißt das: Löst die Krise des Kapitals alle überkommenen wie die ihm zwischenzeitlich gesetzten Grenzen auf, müssen auch die Kämpfe grenzüberschreitend sein. M31 und Blockupy haben versucht, die nationalen Borniertheiten vieler linker Politiken in exemplarischer Verdichtung zu überschreiten. Grenzüberschreitend müssen die Kämpfe allerdings nicht nur im geografischen Sinn des Worts sein. Muss sich das Kapital im Zwang gesteigerter Verwertung überall einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen, müssen die Widerstände das auch tun: Schon deshalb, weil sich die Klassengegensätze mit der kapitalistischen Durchdringung aller gesellschaftlichen Verhältnisse und Beziehungen eben nicht »vereinfacht«, sondern vielfach fragmentiert haben – anders, als Marx und Engels dies noch hoffen konnten.
Auch darum geht es bei Blockupy. Tatsächlich haben wir gar keine andere Wahl, als das Terrain der Kämpfe auch von uns aus zu entgrenzen: Denn die stete Verunsicherung und Gefährdung des Lebens und die fortgesetzte Verknappung seiner Ressourcen inmitten eines historisch einmaligen Reichtums ruft immer neue Nationalismen, Faschismen, Antisemitismen, Rassismen hervor. Sie stärkt darin auch und gerade das älteste aller Herrschaftsverhältnisse, das Patriarchat. Die Krise, die der Kapitalismus selbst ist, appelliert jeden Tag neu an die elendsten Ressentiments und lässt so ökonomische, ethnisierte, rassistische und sexistische Gewalt ineinander übergehen.
III. Kampf um die Krise
Das Troika-Regime geht aktuell vor allem auf zwei Ebenen vor. Unter der Maßgabe der Austeritätspolitik sorgt es ökonomisch für eine weitere Entrechtung, Entwertung, letztlich Überausbeutung der Arbeitskraft – einschließlich eines massiven Rückbaus erkämpfter sozialer und politischer Rechte, voran des Streikrechts. Forciert wird das durch den im Rahmen des »Schuldendienstes« enthemmten Raub der öffentlichen Güter der Gesundheit, des Wohnens, des Verkehrs, der Bildung im Zug fortgesetzter Privatisierungen.
Politisch entspricht dem die Aushöhlung der formellen Demokratie nach dem Vorbild der in Griechenland und Italien exekutierten »Finanzstaatsstreiche«. Die Erweiterung des Durchgriffsspielraums des Krisenmanagements geschieht zum einen direkt (auch durch die technokratische Statthalterschaft von »Experten« wie Prodi, Draghi und Papademos). Sie vollzieht sich zum anderen durch weitere Verschiebung des Exekutivrechts von den nationalen zu den EU-Organen, also durch den Ausbau von transnationalen Staatsapparaten ohne jede demokratische Legitimation und im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der nordeuropäischen Mehrheitsgesellschaften, allen voran Deutschlands. Ideologisch begründet wird dies durch die Verschränkung des Diskurses der »Alternativlosigkeit« mit dem der »Sicherheit« als des verbliebenen Angebots des Kapitals an alle, die irgendwie noch dazugehören.
Diesen Angriffen stellen sich vornehmlich die sozialen Kämpfe im Süden Europas entgegen: Die Versammlungen auf den Plätze Spaniens und Portugals, sogar die im Sinn der Troika »falsche« Wahl in Italien sowie insbesondere und seit vielen Jahren der massenhafte Widerstand in Griechenland. Ob in subversiver Desertion, in militanten Straßenkämpfen, in selbst organisierten Solidarprojekten oder in der konstitutionellen Machtoption des Syriza-Blocks: Dem vom herrschenden Europa gewollten Sturz ins Nichts antwortet eine mannigfaltige Bewegung kollektiver Aufsässigkeit und Verweigerung von unten, die noch in ihren inneren Differenzen auf eine andere Gesellschaft weist.
Auch wenn wir die Zukunft nicht vorhersagen können, sind wir überzeugt, dass sich die strategischen Fragen des Kampfes um die europäische Krise in dieser politischen Fluchtlinie stellen: Wird die Dynamik der Krise weiterhin vom Norden, von den Zentren der EU und des deutschen Kapitals bestimmt und von dort dem Süden aufgezwungen? Oder gelingt die Umkehr der Dynamik: Werden die Widerstände des Südens die EU in eine Krise treiben, die der autoritären Kontrolle entgleitet? Ausgefochten wird dieser Kampf, und an dieser Einsicht hängt für uns alles, aber nicht nur in Griechenland, Spanien und Portugal, sondern auch im Norden und deshalb eben auch in Frankfurt. Mit der 2014 angesetzten Eröffnung des neuen EZB-Doppelturms am Main wollen Troika, Kapital, deutsche Regierung und Frankfurter Stadtverwaltung sich selbst feiern. Dabei geht es nicht nur um den postpolitischen Pomp herrschaftlicher Repräsentation, sondern um die Konstitution und Durchschaltung faktischer Macht: Ab 2014 soll die EZB sämtliche Banken der Eurozone beaufsichtigen. Das zielt nicht bloß auf die Banken und die Gefügigkeit von Regierungen, deren parlamentarische Souveränität die Krise des Kapitals längst verdampft hat. Die EZB wird dann festlegen, was eine portugiesische Krankenschwester und ein griechischer Lehrer verdienen dürfen, um die »Stabilität des Euro« und das »Vertrauen der Finanzmärkte« nicht zu gefährden. Blockupy 2013 ist ein Ort, herauszufinden, wie wir dieses Spektakel kippen können, um den Widerspruch dann gestärkt in den Alltag zurückzuführen, in dem er sich neu entzünden kann. Denn auch hierzulande mehren sich neue soziale Widerstände: direkte Aktionen gegen steigende Mieten und Zwangsräumungen, gegen prekäre Arbeitsbedingungen und die Schikanierung im Jobcenter, für ökologische und demokratische Energieversorgung, gegen alltäglichen Rassismus und für globale Bewegungsfreiheit.
IV. Über Europa hinaus
Der Kampf um den Verlauf der europäischen Krise wird aber längst nicht nur in Europa geführt. Die arabischen Revolutionen fegten nicht nur die Despotien der Ben Alis und Mubaraks hinweg und öffneten damit nicht nur die Zeit und den Raum ihres langen Kampfes um Demokratie und Freiheit, gegen die Restaurationsversuche des Militärs und die reaktionäre »Alternative« religiöser Fundamentalismen. Binnen weniger Monaten schufen sie eine neue politische Universalität. Wenn es richtig ist, dass mit dem Epochenbruch 1989 das kurze 20. Jahrhundert endete und zur Epoche zwischen der Oktoberrevolution und dem Zusammenbruch des Staatssozialismus wurde, dann markieren die popularen arabischen Aufstände und ihre weltweite Kommunikation die Rückkehr der Geschichte. Damit knüpfen sie an die altermondialen »Bewegung der Bewegungen« an, die erste globale Bewegung, die nach Auswegen aus der Welt des Imperiums suchte. Die Versammlungen von Tunis und Kairo haben dem die Erfahrung hinzugefügt, dass die lange vergessene Machtfrage neu gestellt werden kann, neu gestellt werden muss. Die globalen Resonanzen dieser regionalen Erschütterung forcierten die Krise der EU, sie forcierten die Krise der USA, die schwelende Krise der BRICS-Staaten und die Krise des globalen Kapitalismus. Im Ansatz jedenfalls wurde das überall dort verstanden, wo sich lokal ganz unterschiedliche Kämpfe unter dem weltweit gleichen Schlachtruf »Occupy!« entfalteten, 2011, 2012. Natürlich bleibt der Zusammenhang dieser Aufbrüche hinter dem Enthusiasmus zurück, der sich nicht zuletzt in der Verbreitung des Slogans »Occupy!« aussprach. Natürlich ersetzt der Enthusiasmus nicht den langen Prozess eines weltumspannenden Austauschs, der ganze Bündel von Widersprüchen und mehr als einen Bruch auch unter uns einschließen wird. War aus Tunis und Kairo zu lernen, dass die Machtfrage plötzlich, binnen weniger Tage gestellt werden kann, so hat uns das linke Lateinamerika gelehrt, dass ihre Beantwortung Jahrzehnte braucht. Keine schlechte Lektion.
V. Zurück nach Frankfurt
Waren M31 und Blockupy 2012 auch eine Antwort auf die Versammlungen der Puerta del Sol, des Syntagma- und des Tahrir-Platzes, wird Blockupy 2013 unser Einstieg in einen Kampf um die europäische Krise sein, der an den Grenzen Europas nicht haltmachen wird. Dafür sorgen schon die, die diese Grenzen seit Jahren schon erfolgreich überwinden; dafür sorgen auch die, die Tag für Tag zu den Opfern des europäischen Grenzregimes werden. Der Kampf um die europäische Krise wird deshalb auch ein Kampf um eine offene europäische Bürger_innenschaft sein, der den antirassistischen Leitsatz »Alle, die hier sind, sind von hier« politisch anerkennt. Die Troika hat ihre Antwort schon gegeben, Blockupy 2013 wird uns unserer Antwort näherbringen.
Wir lernen auch aus unseren Schwächen. Blockupy 2012 hat nicht alles erreicht, was möglich gewesen wäre, wir haben zu wenig von dem tun können, was wir uns vorgenommen haben. So wurde die Blockade der EZB und der Frankfurter Innenstadt maßgeblich von der Polizei selbst organisiert: Wir hatten das zwar mit eingeplant, doch unseren Eigenanteil deutlich höher angesetzt. Doch Blockupy 2012 war keine vereinzelte Kampagne und kein vereinzelter »Event«, sondern ein Zug in einer Geschichte, die lange vorher begonnen hat und dieses Jahr ihren nächsten Zug zieht. Dies am selben Ort zu tun, in Frankfurt, ist ein wichtiges Moment: weil Frankfurt nicht irgendeine Stadt, sondern der Sitz der EZB und eine Schaltzentrale der Troika ist. Sichtbar wird dies schon daran, dass in den drei, vier Straßen der »roten Zone« des Finanzplatzes Frankfurt ca. 70.000 Menschen in 220 Banken und Finanzinstituten 4.000 Milliarden Euro hin und her schieben: täglich. Auch deshalb ist Frankfurt ein weltweit vernetzter – und äußerst verletzlicher Knoten der europäischen Krise. Und doch ist Frankfurt nur eine Stadt, kann und wird das, was wir hier möglich machen wollen, auch anderswo geschehen.
VI. Eine radikale gesellschaftliche Linke
Blockupy ist auch eine politische Konstellation, die Menschen verschiedensten Hintergrunds zusammenbringt, geografisch, sozial, kulturell und politisch. Auch diesmal werden Genoss_innen aus verschiedenen europäischen Ländern nach Frankfurt kommen. Auch diesmal werden Tausende von anderswo auf uns schauen. Auch diesmal werden radikale Linke mit Aktivist_innen der Gewerkschaften, linker Jugendverbände, verschiedener sozialer Bewegungen und der Linkspartei zusammenkommen, werden viele Menschen dabei sein, die ganz von sich aus, vielleicht zum ersten Mal an Blockupy teilnehmen. Weil es auch diesmal um inter-, anti- und transnationale Solidarität geht, geht es zugleich darum, den deutschen Krisenkorporatismus von innen auszuhöhlen. Wieder geht es darum, sexistische, nationalistische, rassistische, antisemitische, faschistische »Krisenlösungen« anzugreifen, in Worten und in der direkten Aktion der Empörung und des Ungehorsams. Die Blockade Frankfurts will eine Distanz zu Staat, Nation und Kapital aufreißen, die wir danach weiter vertiefen werden. Das wird in den Alltag zurückfließen, in den Alltag der europäischen Krise, den Alltag der Prekarisierung, der Entrechtung und Entwürdigung, den Alltag der Gewalt, der entziehenden Aneignung, der Arbeitsteilung entlang der Fragmentierungen von Klasse, race und gender: den Alltag fortgesetzten Widerstands. Das wird Fragen der Bewegung und Fragen der Organisation aufwerfen, die wir für uns und mit anderen zu beantworten haben. Das betrifft die Erfahrungen direkter Demokratie in den »assembleas« ebenso wie die Fähigkeit, auf transnationaler Ebene Strukturen der Verbindlichkeit zu schaffen. Zum schöpferischen Prozess aber kommt es nur dann, wenn beide Ebenen zum Raum einer offenen »Verschwörung der Gleichen« des 21. Jahrhunderts werden. Die Aktualität dieser frühkommunistischen Assoziation liegt darin, die entschiedenste Verteidiger_in des wichtigsten Satzes der ersten Verfassung des revolutionären Europas (1793) gewesen zu sein: »Verletzt die Regierung die Rechte der Bürger, ist der Aufstand für die Bürgerschaft und für jede Gruppe von Bürgern die heiligste und unbedingte Verpflichtung.«
Wir wollen die Dynamik der europäischen Krise nicht Staat und Kapital überlassen. Im ersten Schritt schon lassen wir die Mutlosigkeit und die Hochstapelei linksradikaler Identitätspolitik hinter uns. Die Zukunft eines revolutionären Antagonismus liegt allein in seiner radikalen Gesellschaftlichkeit, seiner freien Assoziation. Nichts ändert sich sofort und morgen, aber ohne dass wir uns alle verändern, neue Spuren und Wege aus der Zukunft erproben, wird sich nichts bewegen. Der Aufstand kommt nur, wenn wir ihn beginnen. Wir sehen uns in Frankfurt, vom 30. Mai bis zum 2. Juni. Ob und wie die EZB 2014 ihr neues Frankfurter Quartier bezieht, ist noch lange nicht entschieden. Interveniert, denn es geht ums Ganze.
April 2013, Interventionistische Linke [IL]