Am 27.10. berichtete ein Aktivist aus Dresden im Linken Zentrum über die Herausforderung, die die starke rechte Szene für Gegenkräfte darstellt. I Furiosi sprach mit ihm über „Linke Politik im Ausnahmezustand“.
I Furiosi: Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) hatte ja im Oktober einjähriges Jubiläum. Wie ist die Situation gerade in Dresden und Sachsen, wie hat sie sich im letzten Jahr entwickelt?
Aktivist: Wie die Situation aktuell ist, kann ich gar nicht genau sagen. Da ich die letzten Monate in NRW verweilen durfte, hatte ich ein bisschen Urlaub von den sächsischen Verhältnissen. Dennoch habe ich die Kontakte nicht abreißen lassen und ausführliche Berichte aus Dresden und Sachsen eingeholt und die Entwicklung intensiv verfolgt.
Mit dem Jahrestag und der aktuellen Flüchtlingsdebatte seit September verzeichnete Pegida wieder deutlichen Zulauf. Dennoch erreichten die Teilnehmer*innenzahlen nie die Spitzenwerte aus dem Winter 2014/15. Einzig zum Jahrestag waren wieder bis zu 20.000 Rassist*innen in Dresden, wobei dies ganz klar auch an einer bundesweiten Anreise lag. Aktuell pendelt sich Pegida bei 8.000 Mitläufer*innen ein. Es ist also immer noch mit Abstand der bundesweit größte Aufmarsch. Seit dem Zulauf von Pegida gibt es auch wieder Gegenproteste zum montäglichen Aufmarsch, welche laut optimistischen Schätzungen (22.000) zum Jahrestag auch erstmals mehr Menschen auf die Straße bringen konnten als die Rassist*innen um Lutz Bachmann und Tatjana Festerling. Auch wenn die Zahl der Gegendemonstrant*innen sonst unter der Zahl der Pegida-Teilnehmer*innen ist, können dennoch seit September immer 2.000 bis 5.000 Menschen zu antirassistischen Protesten mobilisiert werden.
Zur Entwicklung im letzten Jahr würde ich sagen, dass die „bürgerliche Maske“ von Pegida immer mehr zerfallen ist. Mit Tatjana Festerling, welche ab Februar den Posten von Kathrin Oertel 1 übernommen hat, ist der Ton deutlich rauer geworden, und mittlerweile treten organisierte Nazis bei Pegida auch als solche auf. Es können vereinzelt immer wieder eigene Transparente, ja sogar Reichskriegsflaggen oder Gruppenbanner beobachtet werden.
Ich würde nicht von einem Rechtsruck sprechen wollen, Pegida war schon immer rassistisch, nationalistisch und bediente sich der Rhetorik der neuen Rechten, aber ich glaube, die Maske, welche in der Öffentlichkeit immer ganz gut funktioniert hat, zerfällt immer mehr.
I Furiosi: Würdest du sagen, dass Sachsen ein Sonderfall ist, was die rassistische Mobilisierung anbelangt?
Aktivist: Sachsen ist definitiv ein Sonderfall, vielleicht nicht was rassistische Politik betrifft aber was die Mobilisierung betrifft. Es finden im Durchschnitt in Sachsen gerade drei rassistische Aufmärsche pro Woche statt. Dabei spielen die AfD, Pegida, NPD und Kleinstparteien wie die Rechte oder der III. Weg eine Rolle. Diese Aufmärsche, welche sofort entstehen, sobald eine neue Unterkunft für Asylsuchende bekannt wird, mobilisieren immer hunderte Teilnehmer*innen. Lediglich bei unbekannteren Parteien (die Rechte, III. Weg) fällt das anders aus, dafür mobilisieren AfD oder NPD schnell auch über tausend Leute.
Rassistische Ausschreitungen wie in Freital und Heidenau stellen leider auch nicht mehr die Ausnahme dar, sondern sind seitdem immer wieder vorgekommen. Die neueste Entwicklung sind Blockaden von Asylunterkünften und „Umschlageplätzen“. Dabei bedienen sich Rassist*innen, linker Aktionsformen und versperren mit Protestzelten und Sitzblockaden Wege und (geplante) Unterkünfte. In Chemnitz-Einsiedel hält dieser „Protest“ nun schon seit über einem Monat an. Also ja, Sachsen ist da definitiv ein rassistischer Sonderfall!
I Furiosi: Welche Auswirkungen haben die momentanen sächsischen Verhältnisse auf die antifaschistische Linke in Dresden?
Aktivist: Nun ja, Kriminalisierung und Schikanen gegenüber Antifaschist*innen haben in Sachsen anscheinend Tradition. Stichworte sind da Lothar König, §129-Verfahren gegen Antifas in Dresden und medienwirksame Verfahren gegen Blockierer*innen, darunter auch Landtagsabgeordnete. In Sachsen wird links draufgehauen und rechts weggeschaut. Wobei für die zahlreichen Skandale, die es um die Polizei im Zusammenhang mit Pegida gab, „Wegschauen“ fast schon verharmlosend ist. So sind z.B. interne Ermittlungsakten der Polizei an Bachmann weitergereicht worden, Beamt*innen grüßen freundschaftlich Pegida-Ordner*innen und schreiten bei Übergriffen auf Journalist*innen nicht sofort ein. Kurzum, Pegida ist in Sachsen, bei einer CDU, die Antifaschismus nicht als richtige Antwort sieht und Behörden, die super mit Rassisten kooperieren 2, auf sehr fruchtbaren Nährboden gefallen.
I Furiosi: Welche Rolle spielt der „Mythos Pegida Dresden“ für die rassistische und asylfeindliche Bewegung im Rest Deutschlands?
Aktivist: Asylrechtsverschärfungen kommen ja gerade auch mit Hilfe von SPD und Grünen fast im Monatstakt durch Bundestag und Bundesrat; also keine Ahnung, was der Mythos Pegida Dresden ist. Schaut man sich die Rhetorik an, wird allerdings immer öfter von der Bevölkerung gesprochen, welche nach diesen Verschärfungen schreit und irgendeiner Stimmung, die zu kippen droht … Damit werden sicherlich auch Menschen aus Dresden, Heidenau, Freital, aber auch aus Duisburg oder von den AfD-Demos gemeint. Vielleicht dient Pegida in der Politik als Beweis, dass die Stimmung in der Bevölkerung angeblich zu kippen droht. Das müsste meiner Meinung nach aber erst mal untersucht werden, und außerdem ist es ja auch so, dass allein das Sprechen über einen Stimmungswechsel diesen mit einleiten kann.
I Furiosi: Gibt es Möglichkeiten für uns als Antifaschist*innen aus Düsseldorf, euch zu unterstützen?
Aktivist: Die aktuelle Rhetorik in Deutschland ist gerade nicht unbedingt von linken Themen oder Aussagen geprägt. Konkret auf die Situation in Sachsen bezogen, hilft es ungemein, die Situation dort wahrzunehmen und sich mit Linken solidarisch zu zeigen.
Informieren über Sachsen und in NRW Akzente setzen, welche die rassistische Stimmungsmache in ganz Deutschland angreifen, sind hier vielleicht die beste Möglichkeit!
1 berühmt durch den Auftritt bei Günter Jauch im Januar 2015
2 Aussage von Rene Jahn, ehemaliges Mitglied im Pegida-Orgateam, im Deutschlandfunk