Acht Argumente für eine radikale Linke bei Blockupy
Eine Mitteilung der Interventionistischen Linken & des …ums Ganze! — Bündnisses
iL: BLOCKUPY – weil wir uns gegen eine Krisenpolitik wehren müssen, die unsere Lebensbedingungen verschlechtert und unsere Selbstbestimmung angreift.
Die Krise ist weder abstrakt, noch ist sie weit weg von uns. Sie zeigt sich nicht nur in der sozialen Katastrophe in Griechenland oder in der Massenarbeitslosigkeit in Spanien. Sie begegnet uns nicht nur in den innereuropäischen Armutsflüchtlingen, die noch in einem 400-Euro-Job in der BRD mehr Perspektive sehen als in ihren Herkunftsländern, in denen vielfach Migrant_innen aus nicht-EU-Ländern schuften und um ihren kargen Lohn betrogen werden.
Auch wenn die Krise im Süden noch viel verheerendere Auswirkungen hat. Kapitalistische Krise, das heißt auch hierzulande für viele bereits Armutslöhne, von denen kaum jemand existieren kann, heißt Verschuldung und Verdrängung. Kapitalistische Krise heißt, dass die Mieten und Energiekosten schneller steigen als sehr viele Einkommen. Und kapitalistische Krise heißt Steigerung von Angst und Druck, Verunsicherung des Lebens, Stress, Burn-out usw. Kapitalistische Krise bedeutet Krieg nach innen und Krieg nach außen.
Der Kapitalismus durchdringt alle unsere Lebensverhältnisse, die Art wie wir arbeiten, wie wir lieben, lernen, leben, wohnen, wie wir zusammen kommen. Höchste Zeit also, die herrschende Krisenpolitik, die auf Verarmung, Disziplinierung und Repression beruht, nicht mehr hinzunehmen!
Es besteht kein Widerspruch zwischen der Verankerung dieses Widerstandes im Alltag, in unseren Vierteln, an unseren Arbeitsplätzen einerseits und der Schaffung von sichtbaren Kristallisationspunkten, der Herausforderung des Krisenregimes in seinen Machtzentren andererseits. Wichtig ist nur eins: Die Ohnmacht und das Abwarten zu überwinden und mit dem Widerstand – endlich auch in Deutschland – zu beginnen.
uG: BLOCKUPY – weil der Kapitalismus immer schon ein Problem war.
Linksradikale wissen nicht erst seit Gestern: Der Kapitalismus basiert auf der Ausbeutung von Menschen durch Menschen in Lohnarbeit.
Das Kapitalverhältnis produziert auch im Normalvollzug Mehrwert nur indem es den Arbeitenden die Produkte ihrer eigenen Arbeit entwendet. Krisen sind nicht Schuld an dieser Misere, sondern ihre notwendige Folge. Die Krise zerstört aber eine Illusion, der sich auch Linke hierzulande über Jahrzehnte bequem hingaben, während überall sonst rohe Gewalt herrschte: dass ein befriedeter Kapitalismus allgemeinen Wohlstand erzeugt. Kapitalistische Zwänge bestimmen aber nicht nur die wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen, die Sphäre der Produktion. Die derzeitige Staatsschuldenkrise offenbart auch eine Krise der Reproduktion – all jener Tätigkeiten und sozialen Bereiche, die vermeintlich abseits kapitalistischer Ausbeutung tatsächlich doch deren Grundlagen sichern und erneuern. Der Kapitalismus und seine Staaten versuchen sich durch eine brutale innere Landnahme zu sanieren. Sie zerschlagen dabei soziale Garantien am laufenden Band. Immerhin, das Kapitalverhältnis erscheint so nicht mehr als naturwüchsig, es wird als geschichtlich gemacht erkennbar, als Herrschaft. Der Kapitalismus gehört nicht wegen der Krise abgeschafft, sondern unabhängig von jeder Krise. Aber die Krisenproteste sind unsere beste Chance, diesen Kampf zu verbreitern.
iL: BLOCKUPY – weil wir Teil einer europäischen und globalen Bewegung sein und werden wollen.
Krise und Kapitalismus sind global und können nur durch eine kollektive, globale Gegenwehr selbst in die Krise geraten. Die Spardiktate der Troika aus EU, Internationalem Währungsfond und Europäischer Zentralbank und die davon ausgelöste Verelendung in den Ländern Südeuropas bleiben nicht unwidersprochen. Die Platzbesetzungen, Generalstreiks und Massendemonstrationen sind Teil eines trotzigen, ermutigenden Widerstands gegen die Zumutungen der herrschenden Krisenpolitik. Die Verhinderung von Zwangsräumungen, die Besetzung und Selbstverwaltung von Betrieben und Entstehung von Selbsthilfe-Strukturen einer solidarischen Ökonomie geben Hoffnung und Perspektiven, dass sich Menschen auch jenseits der kapitalistischen Verhältnisse organisieren können. Als radikale Linke in Deutschland lernen wir von diesen Kämpfen und Erfahrungen, sie inspirieren und ermutigen uns.
Praktische Solidarität mit unseren Genoss_innen in Südeuropa und dem globalen Süden bedeutet zunächst, die Komplizenschaft mit der deutschen Krisenpolitik aufzukündigen und den Widerstand auch hier zu verbreitern. Aber bei der Solidarität dürfen wir nicht stehenbleiben.
So wie das Kapital sich der EU-Institutionen bedient, um die Bewegungen gegeneinander auszuspielen und Entscheidungen jeder demokratischen Kontrolle zu entziehen, so müssen wir auch den Aufbau unserer Gegenmacht grenzüberschreitend anlegen: Weil wir dem Nationalismus keinen Raum geben dürfen und weil unserer Ziel eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung ist.
uG: BLOCKUPY – weil es auch reaktionäre Kapitalismuskritik gibt und wie die Sache weitergeht, nicht zuletzt von unserer Präsenz abhängt.
Seit die Dauerkrise des Kapitalismus den globalen Norden erreicht hat, entzieht sie der herrschenden Staatsräson, dem Neoliberalismus, seine letzte Legitimation. Niemand bei Sinnen wird allerdings behaupten, dass die radikale Ökonomisierung der Gesellschaft automatisch soziale Bewegungen hervorbringt, die den Kapitalismus abschaffen wollen. Man muss gar nicht erst auf das Erstarken neofaschistischer Parteien in Griechenland und Ungarn verweisen. Auch in Deutschland und Österreich wird mit reichlich Leidensstolz der nationale Standort verteidigt, wofür gerne Arbeitszeitverlängerungen und Nullrunden in Kauf genommen werden. Rassismus und geschlechtsspezifische Ausbeutung vertiefen sich, Sozialchauvinismus diszipliniert alle jene, die nicht mehr mitmachen können oder wollen. Das deutsch-europäische Grenz- und Abschieberegime treibt Jahr für Jahr tausende Flüchtende in den Tod. In dieser Situation ist es nicht nur billig, sondern absolut fatal, die Krisenproteste herablassend vom Schreibtisch aus zu kritisieren. Gerade weil sich in den Protesten auch regressive Geister tummeln, gerade weil eine falsche Kritik am Kapitalismus so nahe liegt, müssen wir uns ins politische Handgemenge begeben – sonst tun es andere. Die personalisierte Kapitalismuskritik, die moralisch „Bankster“ und ihre Gier beklagt und dabei gerne auf antisemitische Stereotype zurückgreift, nimmt nicht zuletzt die Strukturen kapitalistischer Herrschaft aus der Schusslinie. Ihr setzen wir vor Ort eine Systemkritik ums Ganze entgegen.
iL: BLOCKUPY – weil Protest nicht ausreicht und wir radikalisierende, selbst ermächtigende und grenzüberschreitende Aktionen brauchen
Bei Blockupy geht es nicht um eine Demonstration im Sinne ritualisierten Protestes. Es geht um die Unterbrechung des Normalbetriebs, des städtischen Alltags, einen Moment der Infragestellung des Normalen, der Repräsentation. Angesichts der Dimension des sozialen Angriffs durch die Krisenpolitik von Bundesregierung und Troika wäre ein bloßer Protest auch viel zu kurz gesprungen. Große Demonstrationen gab es schon viele: wir wollen Widerstand organisieren, wollen eingreifen und den Normalbetrieb des kapitalistischen Krisenregimes wenigstens für einen Tag an einem Ort unterbrechen.
Dabei misst sich die radikalisierende Wirkung nicht in erster Linie am materiellen Effekt der Blockaden und Aktionen. Bei Blockupy kommen Aktivist_innen aus verschiedenen Spektren und mit verschiedenen Hintergründen zusammen – Gewerkschafter_innen, Schüler_innen, Migrant_innen, Geflüchtete, Attacies, radikale Linke usw. Mit ihnen allen gemeinsam wollen wir Grenzen überschreiten, massenhaft ungehorsam sein, uns den Anordnungen der Polizei widersetzen, die Kampfzone von unserer Seite ausweiten. Das sich uns dabei der Staat aktiv in den Weg stellt, kann, genauso wie die Erfahrung der Solidarität und der Selbstermächtigung in der Aktion, dazu führen, dass Menschen und Bewegungen sich radikalisieren und Brüche zum bisherigen Alltag entstehen.
Die massive Reaktion der Staatsmacht auf Blockupy 2012 hat gezeigt, dass wir eine empfindliche Stelle getroffen haben. Dass wir sie auf einem Gebiet herausgefordert haben, auf dem sie sich sicher fühlten. Hieran wollen wir anknüpfen und darauf aufbauen – auch als Sprungbrett für eine noch viel größere, internationale Mobilisierung 2014, wenn die politische und wirtschaftliche Elite Europas die Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes feiern will und wir ihnen diese Feier gründlich verderben werden.
uG: BLOCKUPY – weil wir für internationalen Antinationalismus stehen.
Zum ersten Mal seit Abklingen der globalisierungskritischen Bewegung zeigen sich Ansätze einer Internationalisierung emanzipatorischer, kapitalismuskritischer Kämpfe. Erste koordinierte Veranstaltungen und Aktionen fanden statt, etwa der European Day of Action against Capitalism im März 2012. Bei aller Unzulänglichkeit in Analyse und Aktionsform: Auch Blockupy kann sich zu Recht als eine Plattform dieser Vernetzung begreifen, weil es die Krise als Problem des globalen Kapitalismus versteht und explizit transnationale Allianzen sucht. Angesichts Deutschlands tragender Rolle im europäischen Krisenmanagement ist es für eine radikale Linke hier höchste Zeit, mit kämpfenden Genoss_innen in anderen Ländern praktisch solidarisch zu werden. Durchbrechen wir linken Etatismus und linkes Besserwissertum, Standortlogik und Korporatismus; überwinden wir die nationale Borniertheit unserer Kämpfe; arbeiten wir an einer gemeinsamen Kritik an Staaten, Fabriken und Bullen – für einen internationalistischen Antinationalismus!
iL: BLOCKUPY – weil wir organisierter Teil von Gegenmacht sein wollen, die den Kapitalismus überwindet und den Kommunismus möglich macht.
Es ist die Aufgabe von radikalen Linken in Kampagnen und Bewegungen, mehr als nur aktive, konstruktive und verlässliche Akteur_innen zu sein, sondern darüber hinaus die grundsätzlichen und radikalisierenden Fragen aufzuwerfen. Fragen, die über Bankenkritik und Sozialstaatsromantik hinausgehen. Fragen nach der Macht, dem Staat und den Chancen von Widerstand, Fragen nach der Überwindung von Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus. Fragen nach Gerechtigkeit und gutem Leben im globalen Maßstab, nach einer erneuerten Utopie.
Blockupy ist eine gute Gelegenheit, solche Fragen zu stellen, die hinter die Oberfläche der herrschenden Ordnung schauen und die Dinge grundsätzlich in Frage stellen. Und Blockupy ist ein guter Ort, um in der Aktion Mitstreiter_innen und Genoss_innen zu treffen, die den Kapitalismus überwinden und eine kommunistische Perspektive möglich machen wollen.
Bestandteil jeder Antwort ist dabei die Organisierung, d.h. die Überwindung von Vereinzelung und Resignation, die Herstellung von kollektiver Lern- und Handlungsfähigkeit. Die Antworten auf diese Fragen entstehen aber nicht im Studierzimmer, sondern im Handgemenge, in und durch die wirkliche Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt.
uG: BLOCKUPY – weil wir die wirkliche Bewegung wollen, die den jetzigen Zustand aufhebt.
Machen wir uns nichts vor: Blockupy bleibt, bei aller Verbalradikalität vom „öffentlichen Protest zum zivilen Ungehorsam“, Symbolpolitik. Doch gerade hier kommen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Betroffenheiten zusammen, die für ein anderes Leben kämpfen, als dasjenige, welches ihnen die Profitlogik aufzwingt. Nicht alles davon muss und kann uns gefallen. Aber bei dieser Feststellung stehen bleiben hieße zu resignieren und diese Resignation auch noch zynisch als besonders kritisch zu adeln. Solidarität muss praktisch werden. Blockupy Deporation Airport, die Störung des Normalbetriebs an Europas größtem Abschiebeflughafen, ist ein solcher Versuch. Denn auch Antirassismus ist erst konsequent, wenn er alltägliche Diskriminierung und globale Ausbeutungsverhältnisse in ihrem Zusammenhang bekämpft. Antikapitalistische und antirassistische Kämpfe gehören zusammen – in einer wirklichen Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.
Blockupy 2013 — wir empfehlen:
30. Mai: Veranstaltungen im barrio anticapitalista auf dem Camp
31. Mai: Blockade der EZB & danach weitere ungehorsame Aktionen
1. Juni: antikapitalistischer Block auf der internationalen Großdemonstration