Gemeinsamer Treffpunkt: pünktlich um 15:20 Uhr am Ufa-Kino / Hbf.
No Border! No Nation! – Keep the ball rolling
Demonstration in Neuss gegen den Frauenabschiebeknast am 04.12.2010!
Jedes Jahr werden tausende Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland und der gesamten Europäischen Union abgeschoben. Für die meisten Betroffenen bedeutet das, die Rückkehr in ein Land, in dem sie aufgrund ihrer Meinung, ihrer sexuellen Orientierung oder dem vermeintlich falschen Geschlecht diskriminiert und/oder verfolgt werden. Eine Abschiebung kommt somit einem Todesurteil gleich, nicht wenige sterben schon während dem Vorgang der Abschiebung. Sei es durch Selbsttötung – aus Angst abgeschoben zu werden – oder durch die brutale und rücksichtslose Behandlung der Vollzugbeamten während der so genannten „Rückführung“.
Im Folgenden der Aufruf zur Demonstration:
DEN RASSISTISCHEN UND SEXISTISCHEN NORMALZUSTAND BRECHEN!
Zum mittlerweile 11. Mal demonstrieren wir gemeinsam gegen den seit 1993 in der Innenstadt von Neuss betriebenen Frauenabschiebeknast. Unser Protest richtet sich nicht nur gegen den einzigen ausschließlich mit Frauen belegten Abschiebeknast der Bundesrepublik, sondern generell gegen die menschenverachtende Praxis der Abschiebung als einem wesentlichen Baustein EU-weiter Migrationskontrolle sowie den Jahr für Jahr für viele Menschen tödlichen Ausbau der „Festung Europa“.
Innerhalb der Bundesrepublik knüpft Abschiebung auf staatlicher wie gesellschaftlicher Ebene an eine lange Tradition rassistischer Ausgrenzung und Verfolgung an. Bereits 1953 kam es etwa zur Einrichtung des Ausländerzentralregisters in Köln, die das Bundesinnenministerium mit der „Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung der Ausländer im Bundesgebiet“ begründete. Nachdem 1980 erstmals Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt worden waren, folgte auf die 1990 vollzogene Angliederung der DDR eine Reihe rassistisch motivierter Übergriffe und Anschläge, in deren Verlauf mehrere Menschen starben. Diese Morde gingen mit einer systematischen Hetzkampagne gegen AsylbewerberInnen einher, die wiederum den Boden für die 1993 durchgesetzte Einführung der so genannten Drittstaatenregelung bereitete. Das ohnehin zahlreichen Schutz und Hilfe suchenden Menschen verschlossen bleibende Recht auf Asyl wurde hierdurch weitgehend ausgehebelt, da über ein als „sicher“ geltendes Drittland eingereiste Flüchtlinge nun dort ihren Asylantrag zu stellen haben. Die Zahl der AsylbewerberInnen betrug 2009 denn auch lediglich rund 12.100.
Erheblich mehr Flüchtlinge sind auf „Duldung“ angewiesen und leben demzufolge in der ständigen Gefahr und Angst, in eine ungewisse Zukunft abgeschoben zu werden. Viele von ihnen werden zur Sicherstellung ihrer erzwungenen Ausreise eingesperrt. Flüchtlingen, die gegen ihre verzweifelte Situation aufzubegehren wagen, droht Isolationshaft oder eine Unterbringung in der Psychiatrie.
Ihre Abschiebung vermögen sie in der Regel allenfalls zu verzögern.
Allein 2009 wurden vom Gebiet der Bundesrepublik aus 7.289 Personen per Flugzeug und 536 Menschen auf dem Landweg abgeschoben, weitere 13.087 MigrantInnen waren von so genannten Zurückschiebungen und -weisungen betroffen.
Auch die zunehmende politische und wirtschaftliche Verflechtung der EU-Staaten brachte keine nachhaltige Abmilderung des auf Flüchtlinge – staatlicherseits – ausgeübten Drucks mit sich. Im Rahmen der entsprechenden Gesetzgebung scheint vielmehr die jeweilige schärfste nationale Regelung als Maßstab zu dienen. Einen deutlichen Beleg hierfür liefert z. B. die im Juni 2008 vom Europäischen Parlament verabschiedete „EU-Rückführungsrichtlinie“. War die Bundesrepublik bis dahin der einzige EU-Mitgliedstaat mit einer Abschiebehaftdauer von bis zu 18 Monaten, ist diese Regelung seitdem EU-weit gültig.
Der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium Peter Altmaier (CDU) erläuterte die Zielsetzung der „Rückführungsrichtlinie“ wie folgt: „Wir haben im Sinne Deutschlands erreicht, dass die Abschiebungen von denen, die wir loswerden wollen, in Zukunft erleichtert werden.“
Zu jenen – gegen den Willen staatlicher Funktionsträger wie Altmaier in Deutschland lebenden MigrantInnen – zählen u. a. die im Laufe der 1990er Jahre vor Krieg und Verfolgung aus dem Kosovo geflohenen Angehörigen der unter dem Oberbegriff der „Roma“ zusammengefassten Bevölkerungsgruppen.
Aktuell sind fast 12.000 von ihnen auf Grundlage eines im April 2010 geschlossenen deutsch-kosovarischen Regierungsabkommens von Abschiebung aus der Bundesrepublik bedroht. Insbesondere für die zirka 5.000 mehrheitlich in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder und Jugendlichen unter den Flüchtlingen hätte die Deportation in den Kosovo wahrscheinlich verheerende Folgen.
Nichtsdestotrotz bleibt die Thematik des Kindeswohls in besagter Rücknahmeübereinkunft gänzlich ausgespart. Eine menschenverachtende Praxis, die sich wohlgemerkt in völligem Einklang mit geltendem EU-Recht befindet.
Der französischen Staatsspitze hingegen reichen offenbar im Umgang mit Roma selbst die weitreichenden Möglichkeiten der gesetzeskonformen Migrationskontrolle nicht aus.
So ordnete das Innenministerium im Sommer 2010 per internem Runderlass die massenhafte Ausweisung von Roma an. Tausende aus Bulgarien und Rumänien stammende Roma wurden daraufhin unter Missachtung der Europäischen Grundrechte-Charta und der EU-Freizügigkeitsrichtlinie in ihre Herkunftsstaaten abgeschoben.
Diese Flüchtlingspolitik greift aber natürlich nicht erst innerhalb der EU-Grenzen. Den zur Abwehr unerwünschter MigrantInnen betriebenen Aufwand verkörpert wie keine zweite Institution Frontex, die 2005 gegründete europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen.
Ausgestattet mit zirka 220 Mitarbeitern und einem Etat von knapp 85 Mio. EUR soll die Grenzschutzagentur unter Einsatz polizeilicher, militärischer und geheimdienstlicher Mittel für eine optimale Abschottung des EU-Territoriums vor illegalisierter Flucht und Einwanderung Sorge tragen.
Zu ihren Haupteinsatzgebieten gehört das Mittelmeer, über welches – nach UN-Angaben 2008 – mehr als 67.000 Flüchtlinge nach Europa zu gelangen versuchten.
Mindestens 1.274 von ihnen starben allein vor den Küsten Italiens.
Frontex bemüht sich nach Kräften, die Überlebensaussichten der Flüchtlinge zu verringern. So werden Flüchtlingsboote im Zuge riskanter Seeoperationen bereits möglichst fernab der Hoheitsgewässer von EU-Staaten gestellt und „umgeleitet“, wie es beschönigend heißt. In mehreren nachgewiesenen Fällen schreckten Frontex-Besatzungen sogar nicht davor zurück, Treibstoff und Nahrungsmittel von Flüchtlingen auf hoher See zu beschlagnahmen, um sie zur Umkehr zu zwingen.
Geflohen sind diese Menschen, weil sie einer Verfolgung und Diskriminierung – aufgrund ihrer Meinung, ihrer sexuellen Orientierung oder des vermeintlich falschen Geschlechts – entgehen wollten. Auch die Aussicht auf eine bessere Gesundheitsversorgung und die Möglichkeit, nicht permanentem Hunger ausgesetzt zu sein, trieb und treibt sie weiterhin in die EU. Umkehr heißt in jedem Fall eine Rückkehr in Verhältnisse, die diesen Bedürfnissen mehr als entgegenstehen.
Frauen sind von den beschriebenen Verhältnissen und Lebensbedingungen in den entsprechenden Herkunftsregionen in besonderer Schwere betroffen, sind sie doch dort meist einer geschlechtsspezifischen Unterdrückung ausgesetzt. Häusliche Gewalt, Frauenhandel, Zwangsverheiratung und -prostitution und/oder Genitalbeschneidung sind nur einige Beispiele, die hier zu nennen wären.
Aber auch wenn ihnen eine Flucht aus diesen Umständen gelingt, erwartet sie ein alles andere als „rosiges“ Leben.
Geschlechtsspezifische Unterdrückungsmechanismen gibt es im so genannten zivilisierten Westen ebenfalls zur Genüge und auch hier ist mensch gezwungen, die eigene Arbeitskraft – in Form von Lohnarbeit – zu verkaufen. In vielen Fällen ist Prostitution oder Arbeit in anderen Bereichen der Sexbranche für die Frauen der einzige Weg, ihre Grundbedürfnisse zu decken. Alternativ haben sie in der Regel lediglich die Möglichkeit, einer Arbeit in den meist schlecht bezahlten Bereichen der Dienstleistungsbranche, wie zum Beispiel im Reinigungsgewerbe, nachzugehen.
Im Schnitt hielten sich 2009 im Abschiebeknast permanent 10 bis 20 Frauen, vorwiegend aus afrikanischen Ländern, auf. Die Altersspanne lag bei 18 bis 75 Jahren.
80% dieser Frauen waren zuvor in die Prostitution gezwungen worden. Zum großen Teil waren sie in der so genannten Illegalität durch Zuhälter, die „neue Menschenware“ brauchten, an die Behörden verraten worden.
Nach unseren Informationen erhalten die Frauen dreimal täglich Mahlzeiten, die in den verriegelten Zellen eingenommen werden müssen. Lediglich die Frauen, die sich gegen ein Taschengeld an „Reinigungsarbeiten“ im Knast beteiligen, haben die Wahl des Essaufenthaltes außerhalb der Zelle. Zum Knastinventar gehört ein – ausschließlich mit einem Loch im Boden zur Verrichtung der Toilettengänge – versehener Raum, in den einige Frauen, die sich vor ihrer Abschiebung des so genannten Ungehorsams schuldig machen, eingesperrt werden.
Mütter, Partnerinnen, Freundinnen, Schwestern und Tanten sitzen in diesem Gebäude des Frauenabschiebeknastes in Neuss, die ihre Familien und inzwischen volljährigen Kinder entweder zurücklassen müssen oder das Wissen haben, dass Verwandte und Bekannte in anderen Abschiebeknästen in Deutschland und Europa sitzen, um auf ihre „Verfrachtung“ zu warten.
Neben jenen Menschen, die in die EU flüchten, um in körperlicher Unversehrtheit zu leben, werden so genannte Wirtschaftsflüchtlinge im Rahmen der europäischen Migrationspolitik als besonders problematisch wahrgenommen. Sie suchen keine Zuflucht im „fortschrittlichen Westen“, weil sie in irgendeiner Form verfolgt oder diskriminiert werden.
Vielmehr lockt die Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen und eine wirtschaftliche Stellung, die nicht vom täglichen Überlebenskampf geprägt ist. Von rechtskonservativ bis liberal herrscht die einhellige Meinung vor, dass solche „Schmarotzer“ im „eigenen Land“ erst recht nichts zu suchen hätten.
Gerne wird dabei vergessen, dass es – wo es Gewinner gibt – auch Verlierer geben muss. Als Gewinner ist es allerdings sehr einfach zu fordern, dass der Verlierer seine Stellung gefälligst zu akzeptieren habe.
Selbstverständlich könne auch er dafür sorgen, zu den Gewinnern zu gehören, aber dann bitte in „seinem“ Land.
In Gesellschaften, in denen nicht nach den Bedürfnissen, sondern nach höchstmöglichem Profit produziert wird, wird es allerdings immer Gewinner und Verlierer geben.
Zu den Verlierern zählen u. a. die rund 18 Millionen Menschen, die jährlich an den Folgen von Unterernährung sowie mangelndem Zugang zu sauberem Wasser und einer anständigen Gesundheitsversorgung sterben (Human Development Report 2003).
„Survival of the fittest“ vs. herrschaftsfreie Gesellschaft
Unserer Einschätzung nach existieren zwei Möglichkeiten, die erwähnten Probleme in den Griff zu bekommen. Die eine besteht in der Fortführung einer kapitalistischen- Verwertungsinteressen-untergeordneten, für die ebenso-absurden-wie-gefährlichen- rassenhygienischen-Ideen eines Thilo Sarrazin anschlussfähigen Migrationspolitik, die in letzter Konsequenz Krieg gegen Flüchtlinge bedeutet.
Die von uns bevorzugte Alternative erblicken wir in einer solidarischen, Herrschaft in all ihren Ausprägungen zurückdrängenden Gesellschaft, in der globale Bewegungsfreiheit nicht auf Finanz- und Warenströme aufbaut.
Wir sind uns der Hindernisse, die uns auf dem Weg zur Annäherung an diese Utopie begegnen werden, nur allzu bewusst. Hierzu zählen neben den herrschenden gesellschaftlichen Machtstrukturen nicht zuletzt unsere eigenen stereotypen Denk- und Verhaltensmuster.
Doch wir sind bereit, uns radikal zu hinterfragen und neuen Impulsen und Sichtweisen zu öffnen, solange sie weder auf Zwang, Gewalt und Intoleranz beruhen noch soziale Ausbeutung oder politische Unterdrückung hervorbringen.
Deshalb wollen wir:
Den sexistischen und rassistischen Normalzustand stoppen!
Für globale Bewegungsfreiheit und eine herrschaftsfreie Gesellschaft!
Grenzen auf für ALLE!
Kommt zur Demonstration gegen den Frauenabschiebeknast in Neuss am 04.12.2010!
Aktionsbündnis für globale Bewegungsfreiheit – toaneuss.blogsport.de