Schatz, wir müssen mal reden!

Stadtpolitische Konflikte in Düsseldorf und anderswo – Veranstaltungsreihe von Okt. 2010 – Jan. 2011

Überall im Land bewegt sich was. Nachdem jahrzehntelang PolitikerInnen und StadtplanerInnen das städtische Leben bestimmt haben, regt sich nun Widerstand. Land auf, Land ab sind Initiativen entstanden, die sich die Stadt zurückerobern wollen. Unter dem Motto „Recht auf Stadt“ haben sich unterschiedliche Menschen zusammengeschlossen. Sie protestieren gegen die Umstrukturierung der Städte nach neoliberalen Kriterien. Städtische Güter werden verkauft, öffentliche Räume werden privatisiert. Mittlerweile hat jedeR verstanden, dass es vorrangig um Wirtschaftsinteressen geht, gegen die Interessen der BewohnerInnen.

Begleitet wird dies von Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich. Die sogenannte Hochkultur wird mit Unsummen gefördert. Diese Ausgaben seien wichtig um sich im Konkurrenzkampf der Städte zu positionieren. Es geht darum, ein bestimmtes Bild von Stadt in die Welt zu setzen: Das Bild von der „pulsierenden Metropole“. Im Gegensatz dazu leben viele KünstlerInnen in prekären Verhältnissen und werden kaum unterstützt. Damit geht es ihnen nicht anders, als den meisten EinwohnerInnen. Auf Kosten der sozial Schwachen wird die Finanzkrise bewältigt. Durch massive Sozialkürzungen verarmen immer weitere Teile der Bevölkerung. Damit verbunden sind in letzter Zeit sprunghafte Mietsteigerungen, was wiederum zu Verdrängung und Austausch der Bevölkerung führt. Der Begriff Gentrifizierung macht die Runde. Für PolitikerInnen und StadtplanerInnen ist es mittlerweile zum bösen G-Wort geworden.

Mit unserer Veranstaltungsreihe wollen wir ganz unterschiedliche Aspekte ansprechen. Wir blicken zurück in die Geschichte zu alten Kämpfen und Protesten, wir schauen außerhalb von Düsseldorf nach, was sich so tut zwischen Hamburg, Istanbul und New Orleans. Letztendlich geht es uns um das Hier und Jetzt, um unsere alltäglichen Kämpfe.
Schatz, wir müssen mal reden .
Andrej Holm – Wem gehört Düsseldorf?
Bilk, Flingern und Oberbilk sind momentan die Stadtviertel in denen rasant Veränderungen zu beobachten
sind. Die Inwertsetzung bisher preiswerter Wohnviertel, hat sich zu einem ständigen Begleiter städtischer
Veränderungen entwickelt und steht für die neoliberale Version kapitalistischer Urbanisierung. Sanierte Häuser und neue Gewerbenutzungen stehen nicht nur für einen Wandel der Stadt, sondern vor allem für steigende Wohnkosten, die Verdrängung ökonomisch Benachteiligter und die Durchsetzung neuer Sozialstrukturen in den betroffenen Quartieren. Wir machen uns auf die Suche nach diesen Gentrificationprozesse. Was sind Kriterien und Auswirkungen dieser Umstrukturierung? Und vor allem – was kann man tun?
Andrej Holm ist Stadtsoziologe an der Universität Oldenburg – in Zusammenarbeit mit FGK e.V. / TERZ
14. Oktober 2010
19 Uhr – Bürgerhaus Bilker Arcaden
Bachstraße 145

Empire St. Pauli – von Perlenketten und Platzverweisen
Ein Dokumentarfilm von Irene Bude und Olaf Sobczak – 2009
Im globalen Städte-Wettbewerb setzt sich Hamburg in Konkurrenz zu anderen Metropolen. Stadtentwicklung soll günstige Standortfaktoren für Unternehmen, Investoren und Touristik gewährleisten, die letzten Lücken in der so genannten „Perlenkette“ entlang des Elbufers werden imagebildend geschlossen.
17. Oktober 2010
20 Uhr – Glashaus In Zusammenarbeit mit Kulturamt Landeshauptstadt Düsseldorf
Worringer Platz

Wohnungsnot & Mieterselbsthilfe in Düsseldorf während der Weimarer Republik
Mieterselbstorganisation in den 1920er Jahren
Obwohl nach Ende der Ruhrbesetzung 1923 in Düsseldorf ein Bauboom einsetzte, waren große Teil der Bevölkerung auf der ständigen Suche nach bezahlbaren Wohnungen. Die Stadt ließ zwar im Zuge der Gasolei-Austellung 1926 repräsentative Neubauten errichten und investierte kräftig in die Infrastruktur, plante jedoch an den Bedürfnissen ihrer Bürger und Bürgerinnen vorbei.
1927 waren ca. 10.500 Düsseldorfer Haushalte und Familien ohne eigenen Wohnraum, knapp 10% des vorhandenen Wohnraums war extrem überbelegt und ein großer Teil der günstigen Wohnungen, gerade in der Düsseldorfer Altstadt, war in einem erbärmlichen Zustand. Zudem waren die Mieten im Vergleich zu den so genannten „Friedensmieten“ nach dem 1. Weltkrieg teilweise um das Doppelte gestiegen, was unter anderem zu Zwangsräumungen führte. Diese Situation führte in vielen Städten zu Widerstand und Selbsthilfe. In Berlin protestierten beispielsweise MieterInnen mit kollektiven Mietstreiks gegen Zwangsräumungen, in Düsseldorf besiedelten Wohnungslose illegal freie Grünflächen und gründeten auf diese Weise „wilde Siedlungen“, wie das Düsseldorfer Heinefeld nahe der Golzheimer Heide.
Die Historikerin Sabine Reimann zeichnet in ihrem Vortrag die Entwicklung der Wohnungspolitik sowie der Mieterselbstorganisation in den 1920er Jahren am Beispiel der Stadt Düsseldorf nach.
19. Oktober 2010
20 Uhr – Brause
Bilker Allee 233

Recht-auf-Stadt Hamburg zu Gast bei Freiräume für Bewegung
Veranstaltung über Erfahrungen im Kampf gegen Privatisierung und Homogenisierung von Stadt
Nicht nur in Hamburg organisieren sich soziale Bewegungen unter dem Motto „Recht auf Stadt“. Das Konzept geht zurück auf den französischen Stadtsoziologen Henri Lefèbvre, der bereits in den 1960ern in Paris beobachtete, wie vor allem Migrantinnen und Migranten an den Rand der Stadt gedrängt wurden. Demgegenüber forderte er ein kollektives Recht auf Stadt. Alle Bewohnerinnen und Bewohner von Stadt sollen die Möglichkeit haben, mitzubestimmen, wie ihre Stadt gestaltet wird. Die Stadt gehört allen!

So verschieden, wie die Interessen an Stadt sind, so verschieden sind auch die in den stadtpolitischen Initiativen aktiven Menschen. Und – trotz und wegen aller Unterschiedlichkeit der Proteste – haben sich in Hamburg im Recht-auf-Stadt-Netzwerk über 20 Initiativen zusammengefunden, um sich gemeinsam für eine soziale/re und gerechte/re Stadt einzusetzen. In der Veranstaltung berichten drei AktivistInnen über ihre Erfahrungen im Kampf gegen Privatisierung und Homogenisierung von Stadt.

Nicole Vrenegor (BUKO-Arbeitsschwerpunkt StadtRaum, ASSR), Christoph Twickel (Not in Our Name Marke
Hamburg, NION), Jonas Füllner (Avanti, Recht auf Wohnraum)
02. November 2010
20 Uhr – Zakk
Fichtenstr. 40

Im Anschluss: Stadtviertel übergreifendes Tanzen, Knutschen und Unterhalten. Mit dem Dealer der Chansons Jonny Bauer an den Plattentellern.

City of Favela
Ein Dokumentarfilm von Adrian Mengay und Maike Pricelius – 2009
In Favelas und verfallenen Häusern konzentriert sich die urbane Armut. Ausgehend von den prekären Orten
spürt der Film dem Phänomen der Selbstermächtigung nach und führt in das Leben der BewohnerInnen ein. Er begleitet AkteurInnen in Sao Paulo und Rio de Janeiro und dokumentiert politische, ökonomische und kulturelle Alternativen zu sozialer Exklusion.
08. November 2010
20 Uhr – Linkes Zentrum
Corneliusstr. 108

Tamms Erbe?
Ein Blick auf die Ursprünge der autogerechte Stadt Düsseldorf
Schon kurz nach dem zweiten Krieg wurde Friedrich Tamms ein Mitarbeiter Adolf Speers, dem Lieblingsarchitekten Adolf Hitlers und späteren Reichsrüstungsminister, verantwortlicher Stadtplaner in Düsseldorf. Mit ihm kamen andere junge Architekten nach Düsseldorf, die in der Zeit des Dritten Reiches Karriere gemacht hatten. Schon bald formierte sich gegen dieses braune Netzwerk Widerstand in Form des Düsseldorfer Architektenring, der sich den Vorbilder des internationalen Stils und der Bauhausarchitektur verpflichtet fühlten.
Mit der Berufung des früheren Leiter der Bauabteilung der „Deutschen Arbeitsfront“, zum Leiter des städtischen Hochbauamts eskaliert Anfang der fünfziger Jahre die Auseinandersetzung, die als „Düsseldorfer Architektenstreit“ bundesweite Aufmerksamkeit fand. Während Tamm und seine Mitstreiter im ästhetischen Fragen gezwungen waren Konzessionenen an die Moderne Architektur zu machen setzt sich am Ende in entscheidenden Punkten das Tamms`sche „Stadtmodell“ durchsetzt. Von dort an entfaltet sich das von Tamms favorisierte Modell der monumentalen und autogerechten Stadt ohne Widerstand.
Neben einem Rückblick auf die Planungen der Nachkriegszeit möchte der Vortrag u.a. am Beispiel der Berliner Allee und des Umfeld des „tausendfüßler“ zeigen, wie die damaligen Planungen den Düsseldorfer Städtebau bis heute bestimmen.
Der Referent ist Stadtplaner in einer Großstadt des Ruhrgebiets.
15. November 2010
20 Uhr – Brause
Bilker Allee 233

Captured
von Ben Solomon, Dan Levin and Jenner Furst – 2009
Captured zeigt Szenen der New Yorker Lower Eastside aus dem Achiv des Künstlers und Videofilmers Clayton Patterson seit den frühen 80ern. Seine kleine Galerie befindet sich inmitten von vielgeschossigen Apartmenthäusern, deren Wohnungen noch vor kurzem für Millionen Dollar verkauft wurden. Angereichert ist der Film mit Interviews von Protagonisten, u.a. dem damaligen Bürgermeister, Musikern und Künstlern, die ihre eigenen Erinnerungen zu Pattersons Aufnahmen beisteuern.
22. November 2010
20 Uhr – Damen und Herren
Oberbilker Allee 35

InnenStadtAktionen
Beispiele aus Düsseldorf, Köln und Berlin
Wem gehört die Stadt? – Diese Frage ist bereits seit Jahren Kernstück der Auseinandersetzungen um die
Innenstädte, die spätestens seit den 1990er Jahren mit der Durchsetzung des Zero-Tolerance-Diskurses auch in Deutschland zum massiv umkämpften Terrain werden. »Sicherheit und Sauberkeit« gelten bis heute als oberste Maxime eines attraktiven Stadtbilds. 1997 und 1998 intervenierten KünstlerInnen, TheoretikerInnen und politische Initiativen mit den InnenStadtAktionen gegen »Privatisierung, Ausgrenzung und Sicherheitswahn«.
Nicole Grothe zeichnet anhand von Auszügen aus ihrer Dissertation die wesentlichen Merkmale des damaligen Ordnungs- und Sicherheitsdiskurses nach.
30. November 2010
20 Uhr – Damen und Herren
Oberbilker Allee 35

Tear down the Poor – New Orleans und die Folgen von „Katrina“
Ein Reisebericht von Christian Jakob und Friedrich Schorb
Im Sommer 2005 flüchtete die Bevölkerung von New Orleans vor Hurrikan „Katrina“. Rund 20.000, hauptsächlich schwarze MieterInnen von Sozialwohnungen verließen die Stadt – wohl für immer. Als das Wasser wich, zogen die Behörden Zäune um ihre Häuser, verrammelten Türen und Fenster und stellten Polizei vor die Eingänge: die BewohnerInnen sollten nicht zurückkehren. Die meisten von ihnen leben heute verstreut in Städten wie Houston und Baton Rouge, isoliert, ohne Arbeit und ohne Anschluss an ihre einstigen sozialen Netzwerke. In naher Zukunft will die Stadt die Sozialwohnungskomplexe abreißen lassen. Baufirmen werden auf den lukrativen Grundstücken subventionierte mixed-income-Quartiere errichten: ein Bruchteil der früheren Sozialwohnungen mit neuer, rigider Hausordnung, dazu viele schicke Appartements für den freien Wohnungsmarkt.
Christian Jakob und Friedrich Schorb haben New Orleanszwei Jahre nach „Katrina“ besucht und mit ehemaligen BewohnerInnen, Verantwortlichen aus der Stadtverwaltung sowie BürgerrechtlerInnen und AktivistInnen gesprochen.
Ein Vortrag mit Film und Fotos über eine soziale Naturkatastrophe, brutale Stadtentwicklung und Vertreibung
02. Dezember 2010
20 Uhr – Zakk
Fichtenstr. 40

Das Recht zu bleiben
Immobilienspekulation, Verdrängung und Wohnungspolitik
Das Recht zu bleiben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit und dennoch ein Recht das von manchen Mieter immer wieder neu erkämpft werden.

Prägten in der Vergangenheit Luxussanierungen, Eigenbedarfskündigungen oder einfach Mieterhöhungen
diese Auseinandersetzungen, haben sich diese in den letzten Jahren ein neues Gesicht bekommen. Anstelle
von langjährigen operierenden lokalen tätigen Wohnungsunternehmen haben sich zusehend international
tätige Finanzinvestoren auf dem Wohnungsmarkt eingekauft. Inzwischen leben in Deutschland 2.5 Millionen
Menschen in Wohnungen, die diesen an kurzfristiger Rendite orientierten Unternehmen gehören. Das durch
die wirtschaftliche Krise viele dieser hochverschuldeten Unternehmen vom Bankrott bedroht sind verschärft die Situation zusätzlich. Denn anstelle von Sanierung und Entwicklung von Wohnungsbeständen droht jetzt vielen Mietern das herunter gewirtschafteten ihrer Wohnungen.

Im Vortrag wird anhand von Beispielen erläutert mit welchen Methoden Finanzinvestoren operieren, wie sich
die politischen Parteien dazu positionieren und welche Konsequenzen dies für den Wohnungsmarkt bedeutet. Über die rein immobilienökonomischen Zusammenhänge schlägt der Referent auch immer wieder den Bogen zu allgemeinen Prozessen der Stadtentwicklung.
Knut Unger, Mieterforum Ruhr
14. Dezember 2010
20 Uhr – Zakk
Fichtenstr. 40

„Die Häuser gehören uns!?“
Auslaufmodell Hausbesetzungen?
Eine Parole aus den 80igern, als Hausbesetzungen eine politische Aktionsform war, die jetzt durch die
kulturellen Freiraumbewegungen wieder Aktualität gewinnt. Damals erreichte das Hausbesetzen von Berlin
ausgehend, wo in Hochzeiten über 300 Häuser besetzt waren, rasent schnell auch die letzte Provinz. So gab es auch in Düsseldorf besetzte Häuser, wo vor allem die Kiefernstraße ab 1986 BRDweite Aufmerksamkeit erlangte. Was waren die Ziele der Hausbesetzer_innen? Privatistische Besitzaneignung oder ein Ansatzpunkt linksradikaler Politik? Nach einem geschichtlichem, schwerpunktmäßig auf Düsseldorf ausgerichtetem, Überblick, wird zur Diskussion gestellt, ob ein Reloading von Hausbesetzungen als Aktionsmittel, z.B. gegen Gentrifizierung, geeignet ist?
09. Januar 2011
20 Uhr – Linkes Zentrum
Corneliusstr. 108


Küchengespräch
– Aktiv werden
Zwischen Düsseldorf, Köln, Münster und dem Ruhrgebiet haben sich Initiativen gegründet, die aktiv in die Prozesse der Umstrukturierung der Städte eingreifen. Wo ist das Gemeinsame, wo das Trennende? Was können wir voneinander lernen? In einem gemeinsamen Gespräch mit allen Interssierten, wollen wir das erarbeiten und Ausblicke geben. Achtet auf aktuelle Ankündigungen.
Vorankündigung 2011