Coffee to stay: Selbstorganisierter Treffpunkt für Geflüchtete (Interview von 09.16)

Vor etwa einem halbem Jahr startete im Hinterhof – Linkes Zentrum das Coffee to Stay als Treffpunkt für Geflüchtete.

1. Wie kam es zu dieser Veranstaltung?

Einige Leute aus dem Umfeld der antiautoritären Gruppe „alles.anders.“ dachten sich im  letzten Winter, dass das Linke Zentrum Hinterhof mit all seinen Gruppen, Menschen und Möglichkeiten sich für geflüchtete Menschen in Düsseldorf öffnen sollte.
Neben den menschenfeindlichen Erfahrungen an den Außengrenzen der EU und Deutschlands, die Tausende auf ihren Wegen hierher machen mussten, gibt es auch nach der Ankunft viele weitere trennende Barrieren, sowohl zwischen Geflüchteten und der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch zwischen verschiedenen Communities von Geflüchteten. Aus diesen Gründen war es nötig, einen offenen Raum zum gegenseitigen Kennenlernen, Austausch, Netzwerken und Unterstützen zu schaffen. Die Möglichkeit für politische Organisierung ist hierbei ausdrücklich miteingeschlossen.
Abgrenzungen und Barrieren zwischen den Menschen werden durch die Art der Unterbringungen (verschiedene Camps oder Heime) und Unterschiede hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Status (Abhängigkeit von Sozialleistungen, private Kontakte, Arbeitszwang und nicht gesicherte Aufenthaltstitel) erzeugt und stellen neben den ohnehin bestehenden Trennlinien von ethnischer Herkunft, Klassenzugehörigkeit, Gender, Bildungsgrad etc. zusätzliche Hindernisse dar.
Diese Beispiele belegen deutlich die Notwendigkeit des Austauschs zwischen unseren unterschiedlichen Lebensrealitäten und Entwürfen, um eine gemeinsame Grundlage für die kommenden sozialen Kämpfe zu finden. Wir rufen alle gleichgesinnten Menschen dazu auf, in diesen schwierigen Zeiten Position zu beziehen und ihren sozialen Status und ihre Infrastruktur zu nutzen, um zu einer gerechteren Gesellschaft beizutragen.
Der geschaffene Raum soll so offen wie möglich gehalten sein und gemeinsam gestaltet werden. Bis heute kommen immer wieder neue Leute zu unserem Café. Auf diese Weise entsteht eine gemeinsame Struktur von Geflüchteten und Nicht-Geflüchteten, die das Café betreibt, und die dort angestoßenen Prozesse und deren Resultate organisiert.

2. Wie läuft so ein Café ab?

CTS findet jeden zweiten Sonntag statt. Für gewöhnlich starten wir um zwei Uhr nachmittags, und man wird immer jemanden finden, der oder die gerade dabei ist, mit viel Liebe Essen zuzubereiten. Wir haben eine Spendenbox, damit jede*r die Chance hat, etwas zu essen. Man kann Brettspiele spielen, kickern oder sich unterhalten. Meistens versuchen wir im Lauf des Nachmittags eine Gesprächsrunde durchzuführen, um über generelle und spezielle Probleme und Anliegen der Anwesenden zu sprechen. Wir reden über diverse Veranstaltungen wie z.B andere Welcome-Cafés oder diskutieren über Probleme, mit denen Geflüchtete in Düsseldorf konfrontiert sind. CTS kann nicht jedes Problem lösen, aber es kann ein Ort sein, wo eine Gegenbewegung beginnt.
Wir sind im Moment eine feste Gruppe von circa 10-15 Leuten. Bei unseren Treffen sind wir manchmal 10 Leute, manchmal aber auch über 30. Ebenfalls bemühen wir uns immer, in Kontakt und im Austausch zu bleiben über kommende Treffen oder Dinge, die wir besprechen möchten. Dazu haben wir einen E-Mail-Verteiler, eine Facebook-Seite und eine Whatsapp-Gruppe, zu denen jede*r Interessierte hinzugefügt werden kann.

3. Was erwartet Besucher*innen dort?

Man wird auf viele nette Menschen treffen und bestimmt auch einige interessante Gespräche führen. Meistens kochen und essen wir gemeinsam (veganes oder vegetarisches) arabisches Essen. Wir besprechen ebenfalls Probleme und Thematiken, die uns als Gruppe angehen, und was in Düsseldorf aktuell passiert. Momentan wird bei unseren Treffen arabisch, englisch und deutsch gesprochen.
Wir tauschen uns ebenfalls über unsere verschiedenen Perspektiven auf das Leben und die Gesellschaft aus. CTS ist ein Ort, um neue Freunde zu finden, interessante Gespräche zu führen und einen politischen basisdemokratischen Austausch zu ermöglichen, um unterdrückende Hierachien zu überwinden. „This is (y)our place“ – das ist unser Motto, wir wollen jedem interessierten Menschen ermöglichen, an jedem Prozess im Rahmen des Cafés mitzuwirken. Dies spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie wir diese Interview-Fragen beantwortet haben: wir haben versucht, möglichst viele Perspektiven der Menschen, die das Café besuchen und gestalten, abzudecken. Da sich natürlich nicht alle mit einbringen konnten (aus mangelnder Zeit oder technischen Gründen) fehlen sicherlich immer noch einige Aspekte, die für andere möglicherweise noch wichtig gewesen wären.
Die Orga-Gruppe besteht aus Menschen mit und ohne Fluchterfahrungen, unterschiedlichen Sprachen, Möglichkeiten und Biografien.

4. Wie geht ihr damit um? Welche Erfahrungen – positiv wie negativ – habt ihr bis jetzt damit gemacht?

Es ist immer toll, neue Leute kennenzulernen. Gleichzeitig kann es schwer sein, wenn die Sprachbarrieren auf beiden Seiten manchmal zum Hindernis für den Gesprächsfluss werden. Hier müssen wir bessere Möglichkeiten finden, mit diesen Sprachbarrieren umzugehen.
Es kommen immer wieder einige Leute zum Café in der Hoffnung, Hilfe bei der Lösung ihrer individuellen, ganz persönlichen Probleme zu finden. Diese Probleme müssen selbstverständlich angegangen werden, und es findet sich auch meistens jemand zur Unterstützung. Dies ist jedoch nicht das Hauptziel des Cafés, ganz abgesehen davon, dass wir in den meisten Fällen nicht wirklich qualifiziert sind, die Wirrungen der deutschen Bürokratie zu durchschauen.
Unser Hauptziel ist es, die Menschen in ihrem Empowerment-Prozess zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, ihre Rechte einzufordern und Verbesserungen z.B ihrer Lebens­situationen zu erreichen. Was wir dabei bisher gelernt haben, ist, dass viele Meschen ohne Halt oder zu verängstigt sind, um aktiv zu werden, weshalb wir weiterhin daran arbeiten müssen, unser aller Selbstbewusstsein zu stärken und die Hoffnung nicht zu verlieren.
Ebenfalls haben wir alle unsere Sicht auf das Leben erweitern können und lernen bei jedem Treffen Neues über die unterschiedlichen Lebensbedingungen und Realitäten in Düsseldorf.

5. Was sind eure Pläne und Ideen für die Zukunft?

Wir sind immer noch dabei, am Café und den möglichen Zielen, die wir in der Zukunft erreichen wollen, zu arbeiten. Wir denken über die verschiedenen Möglichkeiten nach, die sich uns im Laufe der Zeit eröffnen könnten. Wir wollen stets mehr Leute erreichen und einen Weg finden, Dinge voranzutreiben. Ein wichtiges Projekt im Moment ist der Aufbau einer verlässlichen Struktur für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Weitere Ideen, wie der Aufbau eines „Geflüchteten-Rats“ mit Vertreter*innen aus möglichst vielen Düsseldorfer Unterkünften, werden gerade diskutiert.

6. Zum Abschluss … gibt es noch etwas, was ihr unseren Leser*innen sagen möchtet?

Es ist sehr wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass immer noch viele Menschen gezwungen sind, vor Krieg, politischer Verfolgung, sexualisierter und anderer Gewalt, Unterdrückung, furchtbaren Lebensbedingungen oder Naturkatastrophen zu fliehen. Und dass wir zusammenarbeiten müssen, um die Lebensverhältnisse schutzbedürftiger Menschen in ganz Europa (und weltweit) zu verbessern. Wir sind alle dafür verantwortlich, und wir alle sollten die Einhaltung unser aller Menschenrechte einfordern. Aus diesem Grund ist es so wichtig, Gruppen zu bilden und Räume wie das Coffee to Stay, Welcome 2 Düsseldorf (im V6) oder das Welcome Café (im Zakk) zu schaffen, um den Empowerment-Prozess von Geflüchteten zu unterstützen. Ebenfalls von großer Bedeutung ist es, mit Menschen in Kontakt zu treten, die Migrations- und Fluchterfahrungen gemacht haben, um ihre erschwerten Lebensbedigungen nachvollziehen zu können und zu begreifen, wie wichtig es ist, aktiv gegen selbige und die nur schleppend erfolgenden oder teils ganz ausbleibenden Hilfen durch die europäischen Länder zu werden. Auch sollten wir uns selbst die Frage stellen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen und was wir bereit sind, zu akzeptieren, wenn wir nicht versuchen, etwas an den Ursachen dieser Zustände zu verändern… Solidarität ist möglich!