Stellungnahme der Agentur für Urbane Unordnung zum ehemaligen Post Gelände.
Auf dem alten Postgelände, gegenüber vom Tanzhaus NRW und dem Musicalhaus Capitol, zwischen Erkrather Straße und Kölner Straße, soll auf fast 40.000 Quadratmetern ein neues Quartier entstehen. Unter dem Arbeitstitel „Grand Central“ sollten rund 1.000 Wohnungen, ein Designhotel, Gastronomie, Supermärkte und vieles mehr gebaut werden. Die Fertigstellung erster Häuser war bereits für dieses Jahr geplant.
Hauptinvestor war zu Beginn die Catella Group AG. Seit Herbst 2019 ist die CG-Gruppe Partnerin und federführend im Projekt. Diese wurde dann von der Consus RE AG übernommen, die wiederum inzwischen Teil der fusionierten Ado-ADLER-Gruppe ist, der viertgrößten börsennotierten Wohnimmobiliengesellschaft in Europa. In Düsseldorf nimmt sie eine marktbestimmende Stellung ein und ist so entscheidender Akteur auf dem Wohnungsmarkt, mit dessen Wahnsinn wir jeden Tag leben müssen. Die Ado-ADLER-Gruppe besitzt hier über 5.000 Wohnungen: Neben dem „Grand Central“ investiert sie in weitere Gentrifizierungsbauten und -projekte mit klangvollen Namen wie z. B. dem „UpperNord Tower“ in Derendorf, den „Benrather Gärten“ oder dem „Zauberberg“ am Grafenberger Wald. Auch im Preispoker um das ehemalige Gerresheimer Glasmacherviertel spielte der Konzern ganz oben mit und profitierte enorm – erst vom Kauf und dann vom Weiterverkauf des Grundstücks. Wohnungsbau findet aufgrund dieser Spekulationsgeschäfte seit 2012 auf diesem Grundstück bis heute nicht statt. Schon auf ihrer Website schreibt ADLER: „Den Aktionären gegenüber ist ADLER der Wertsteigerung verpflichtet, die sich in der Vergangenheit aus Wachstum durch Akquisitionen und Effizienzsteigerung im operativen Geschäft ergeben hat.“.
So ist es auch kein Zufall, dass viele dieser Projekte seit Jahren stillstehen. Vielmehr ist es häufig eine bewusste Taktik auf Häuser oder auf Baugrund zu spekulieren. Ziel dabei ist immer die maximale Wertsteigerung für die Aktionär*innen, nicht das Schaffen von (bezahlbaren) Wohnraum. Wie beim Glasmacherviertel wurden auch hier auf dem ehemaligen Postgelände nur Gesellschaftsanteile verkauft – und nicht der Boden. Mit diesem einfachen Trick konnte Grunderwerbssteuer in Millionenhöhe gespart und dadurch gewonnen werden.
Vorsorglich wurden bereits letztes Jahr die alten Postgebäude abgerissen, die Künstler*innen und Initiativen für eine Zwischennutzung zur Verfügung gestellt worden waren. Die so dringend von Kunst- und Kulturschaffenden benötigten Räume wie Ateliers und Werkstätten mussten aufgegeben werden und Profitinteressen weichen – passende Alternativen wurden weder seitens der Stadt, noch des Investors angeboten.
Projekte wie das Grand Central stehen symbolisch für eine ausverkaufte Stadt – für eine Stadt, die nur für solche Anwohner*innen lebenswert ist, die das passende Kleingeld mitbringen. Für alle anderen ist in einer solchen Stadt kein Platz. Selbst wenn solche Projekte nach Ende der Spekulationsphase auf Boden dann doch irgendwann gebaut werden, lösen sie nicht die Krise auf dem Wohnungsmarkt. Privatinvestor*innen bauen nur dann Wohnungen, wenn sehr hohe Erträge aus Verkauf oder Vermietung zu erzielen sind. Bei Projekten wie dem „Grand Central“ entstehen dabei also in erster Linie Eigentumswohnungen oder teure Mietwohnungen.
Dabei wird häufig von einem „Sicker-Effekt“ gesprochen: Wenn teure Neubauwohnungen entstehen, würden günstigere frei. Das Gegenteil ist aber der Fall: Wo Mieten steigen, werden auch bei der Neuvermietung freigewordene Wohnungen teurer. Der Bedarf an günstigem Wohnraum wird durch solche Luxus-Neubau-Projekte also nicht reduziert, sondern vielmehr verstärkt. Solch eine preisliche Aufwertung eines Viertels führt unweigerlich zu Verdrängung von Mieter*innen, die nicht mit den rasant steigenden Mieten mithalten können.
Von einem „Marktversagen“ zu reden ist dabei aber auch falsch, denn Investor*innen folgen der Logik des Marktes, und der agiert im Neoliberalismus ohne ausreichende Regulation gewinnorientiert und entgegen der realen Bedarfe von Wohnungssuchenden. Für Wohnraum im Kapitalismus ist der Tauschwert, also der Wert des Objektes, entscheidend und die Möglichkeit damit Profite zu erzielen. Der Gebrauchswert, also die Option, ein heimeliges, sicheres Zuhause zu ermöglichen und damit das Grundrecht auf Wohnen zu erfüllen, spielt darin keine Rolle.
Die Interessen der Mieter*innen sind der Immobilienwirtschaft nur wichtig, wenn sie sich in Gewinne umsetzen lassen. So führt der private Wohnungsmarkt besonders gut vor Augen, dass im Kapitalismus die Bedürfnisse der Menschen nur indirekt eine Rolle spielen, also nur dann, wenn sich daraus Profite generieren lassen. Um bezahlbaren Wohnungen für alle zu ermöglichen, muss Wohnraum der Logik des Marktes entzogen werden. Wohnraum darf keine Ware am Markt sein, sondern muss Gemeingut in demokratischer Verwaltung werden.
In Berlin wird aktuell ein Volksentscheid geprüft, welcher die Vergesellschaftung der Wohnungen von privaten Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen regelt. Die Ado-ADLER Gruppe mit ihren über 5.000 Wohnungen – ein für Düsseldorfer Verhältnisse übrigens enormer Massenbestand an Wohnungen – wäre von einer solchen Bestimmung deutlich betroffen. Weniger radikale Maßnahmen in den Markt einzugreifen sind offensichtlich gescheitert.
Unser Ziel ist ein Ende von „Wohnen oder Wohnraum als Ware“ – Wir fordern daher die Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes. Hin zur Vergesellschaftung, um die Bedürfnisse der Menschen und nicht die des Kapitals zu erfüllen.