JETZT REDEN WIR!

• Talk zum Tag der Pflegenden •

Am internationalen Tag der Pflegenden sprechen wir mit Beschäftigten über ihre Arbeitsbedingungen im Krankenhaus und darüber warum ein System, das Gesundheit als Ware betrachtet, bloß mehr Menschen krank machen kann als gesund.

12.05.2021 • 17.00 Uhr • Volksgarten [an den Uhren]

Wir sagen:

Der Markt regelt einen Scheiß!
Krankenhäuser in ausschließlich gemeinwohlorientierte demokratische Verwaltung!
Impfstoff für Alle!

In Deutschland gab es seit Beginn der Pandemie etwa 83.900 Corona-Tote, weltweit sind es Schätzungen zufolge 3,2 Millionen auf allen Kontinenten. Diese Krise, die unsere Leben seit über einem Jahr im Griff hält, fiel nicht vom Himmel, sondern ist in ihrem Ausmaß auch die Folge der Widersprüche des kapitalistischen Wirtschaftssystems.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich darüber streiten, wie es genau zu dem Ausbruch kam, dennoch ist eines klar; unser Gesundheitssystem arbeitete auch schon vor der Pandemie an seiner Leistungsgrenze und war von Beginn an völlig mit der Situation überfordert. Dies ist unter anderem unmittelbare Folge der Ökonomisierung der deutschen Krankenhäuser. Im Jahr 2003 trat das sogenannte DRG-System (Diagnosis Related Groups) in Kraft, unter welchem es zu einer massiven Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und damit verbundenen deutlichen Erhöhung der Arbeitsbelastung von medizinischem Personal kam. Im DRG-System müssen Krankenhäuser möglichst profitabel arbeiten, um den Betrieb zu erhalten. Das bedeutet, dass möglichst viele Patient*innen in kurzer Zeit durchgeschleust werden müssen, um gewinnbringend zu arbeiten. Wer nicht profitabel wirtschaftet kann muss dicht machen. Die Heilung von Krankheit, die Interessen der Patient*innen und Beschäftigten werden damit Kapitalinteressen untergeordnet. Seitdem machen sich zunehmend private Klinikkonzerne im Krankenhauswesen breit, die mittlerweile mehr Krankenhäuser betreiben als öffentliche Träger. Solange das Krankenhauswesen insgesamt in einer marktwirtschaftlichen Logik funktionieren muss, können Beschäftigte und Patient*innen auch in öffentlichen und gemeinnützigen Häusern noch lange auf angemessene Bedingungen warten.

Dabei kritisieren Beschäftigte schon lange die katastrophalen Entwicklungen in den Krankenhäusern, weisen auf den Personal- und damit einher gehenden Versorgungsnotstand hin und haben die skandalösen Arbeitsbedingungen, die zu noch mehr Personalnot führen angeklagt. Von Berlin bis München sind Beschäftigte immer wieder im Streik. Auch hier in Düsseldorf kämpft die Belegschaft an der Uni-Klinik mit Streiks, Demos und Unterschriftensammlungen unter anderem für ihre Forderungen nach mehr Personal, Abschaffung des DRG Systems und einer Beteiligung aller Betroffenen an der Krankenhausplanung. Die Corona-Krise hat ein kurzes Schlaglicht auf diese “Held*innen des Alltags”, auf die Systemrelevanz dieser Bereiche geworfen – politisch passiert ist seitdem nichts. Aber genau dieses Schlaglicht ist richtig: Die Leute, die uns versorgen, wissen genau was im Argen liegt und was notwendig ist, um den Job gut und gerne machen zu können, ohne selbst dabei krank zu werden. Die Beschäftigten sind es, die wissen, was zu tun ist. Deswegen müssen wir sie unterstützen. Es ist längst überfällig ihnen gut zuzuhören und mit ihnen solidarisch dafür einzustehen, dass dieses krankmachende System einem System weicht, das sich tatsächlich um die Gesundheit aller Beteiligten kümmert.

Neben den kaputt gesparten Krankenhäusern, die auch ohne Covid 19 über kaum ausreichend Intensivbetten, Pflegekräfte und Mediziner*innen verfügten, gerieten auch die Gesundheitsämter in Bedrängnis. Diese sind seit Beginn der Pandemie personell völlig unterbesetzt und schlecht ausgestattet. So aufgestellt kollabierte die Rückverfolgung von Corona-Infizierten schon bei Inzidenzen von weit unter 50, waren die Ämter teilweise über Tage nicht erreichbar. Viele Ausbrüche wären zu verhindern gewesen.

Gleichzeitig gibt es neben dem „Freizeitlockdown“ nahezu keine verpflichtenden Einschränkungen am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dazu brauchen wir nicht einmal auf die unhaltbaren Zustände wie in der Fleischindustrie verweisen, ein Blick in das nächste Verteilerzentrum unserer heißgeliebten Paketdienstleister*innen oder das Großraumbüro nebenan, reicht vollkommen aus. Während insbesondere erstere ihre Chef*innen in der Pandemie noch reicher machen, kam es immer wieder zu größeren Ausbrüchen an eben diesen Arbeitsplätzen, die das Infektionsgeschehen in ganzen Regionen außer Kontrolle und die Mitarbeiter*innen des Gesundheitssektors bis weit über ihre Belastungsgrenzen brachten.

Um die globale Rettung durch Impfung sieht es derweil nicht besser aus. Nach aktuellem Stand sind zwar bereits vier Impfstoffe allein in der EU zugelassen, und es wird postuliert, dass trotz einiger Probleme, doch zumindest im Laufe diesen Jahres die meisten EU-Bürger*innen einen Impftermin bekommen. Global sieht es hingegen bei weitem nicht so rosig aus. Wie bei anderen lebensrettenden Medikamenten auch, werden international gesehen die meisten Menschen wohl bei der großen Impfparty außen vor bleiben. Zwar wurde beispielsweise der Impfstoff von BioN Tech mit Hilfe öffentlicher Förderung durch die Bundesregierung finanziert, eine Patentfreigabe wie von vielen Ländern des globalen Südens gefordert, wird dennoch kategorisch abgelehnt. Vielen Staaten ist damit der Impfstoff schlicht zu teuer, womit es in vielen Ländern ein Luxus für Wohlsituierte bleiben wird sich gegen Covid-19 zu impfen. Es ist nichts Neues, dass der globale Norden den Süden angesichts tödlicher Seuchen gnadenlos im Stich lässt. Milliarden schwere Pharmakonzerne „besitzen“ die Patente für lebensrettende Medikamente und somit die Macht über Leben und Tod zu entscheiden. Das ist auch bei anderen Patenten gängige Praxis. Schon bei HIV musste Südafrika zum Beispiel knapp zehn Jahre darauf warten, dass dringend notwendige HIV-Medikamente dort verfügbar waren. Jährlich sterben dort zudem Millionen Menschen an Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder Malaria. Die WHO schätzt, dass ein Drittel aller Patient*innen weltweit aufgrund hoher Preise und anderer struktureller Hindernisse keinen Zugang zu dringend notwendigen benötigten Medikamenten hat. Runter gebrochen bedeutet das: Das Recht auf geistiges Eigentum wiegt schwerer als das Recht am eigenen Leben. Auch hierzulande sterben weiter tausende Menschen unter anderem, weil nur die wenigen Profiteur*innen den dringend benötigten Impfstoff gegen Covid 19 produzieren dürfen, obwohl sie allein nicht in der Lage sind den akuten Bedarf zu decken oder sogar millionenfach Dosen zurückhalten. Das klingt absurd? Für den Markt ist das logisch. Denn die einzige Logik, die er kennt, ist die Logik der Gewinnmaximierung. Solange unsere Gesundheit von kapitalistischen Unternehmen abhängt, werden wir vergeblich darauf hoffen, dass menschliche Schicksale in der Debatte um medizinische Versorgung das entscheidende Argument sind. Deswegen muss die Gesundheit der Logik des Marktes entzogen und demokratisch organisiert dem Allgemeinwohl untergeordnet werden. Nur so kann eine Gesundheitsversorgung sichergestellt werden, die allen Menschen auf der Welt gleichermaßen zur Verfügung steht und ein Recht auf ein gesundes Leben ermöglicht. Ein erster wichtiger Schritt ist dabei in der aktuellen Situation die Freigabe der Patente für die Covid-19-Impfstoffe, damit wir global endlich eine Perspektive haben mit dieser Pandemie umzugehen. Um langfristig die unhaltbaren Zustände, die der Missbrauch von Krankenhäusern als Wirtschaftsunternehmen und medizinischer Forschung als Gelddruckmaschine hervor gebracht hat zu beenden, wird die Enteignung und Vergesellschaftung dieser „Wirtschaftszweige“ unumgänglich sein. Denn die Gesundheit von Menschen ist keine Ware wie alle anderen auf dem freien Markt. Alle Menschen auf der Welt sollten in und außerhalb einer Pandemie einen Anspruch darauf haben die beste verfügbare medizinische Behandlung zu bekommen, und zwar unabhängig von ihrem Einkommen oder ihrem Wohnort.

Viele Probleme der aktuellen Krise sind damit direkte Folgen unseres neoliberalen Wirtschaftens. Das Gesundheitssystem als Wirtschaftszweig, wie jeder andere ist nicht nach dem Gemeinwohl orientiert, sondern folgt klar dem kapitalistischen Kalkül. Wer es sich leisten kann bleibt gesund, oder wird bevorzugt behandelt alle anderen bleiben auf der Strecke.

Wir fordern deshalb:

– Gesundheit muss der kapitalistischen Verwertungslogik entzogen werden, hier und überall!

– Krankenhäuser in ausschließlich gemeinwohlorientierte demokratische Verwaltung der Beschäftigten!

– Impfen für Alle, Aussetzung aller Impfpatente!

– Gesundheit darf keine Ware sein!