Rassismus tötet – Redebeitrag zu den rassistischen Morden in Hanau

Wir waren heute mit 1.200 Menschen, die die Morde in Hanau nicht ohne ein Zeichen der Solidarität hinnehmen wollten, auf der Demo in Düsseldorf.

Unsere Rede die wir gehalten haben:

Liebe Leute,
es ist gut euch alle hier zu sehen. Und es hat gut getan, gestern all diese Menschen auf den Kundgebungen in über 70 deutschen Städten zu sehen, die die Morde von Hanau nicht ohne Protest und ohne ein Zeichen der Solidarität hinnehmen wollten.
„Wir sind traurig und wir sind wütend. Traurig sind wir, weil unsere Gedanken nach der gestrigen Nacht bei den Angehörigen der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau sind. Unter den Toten befinden sich auch mehrere Opfer kurdischer Herkunft. Ihre Angehörigen versammeln sich gegenwärtig im Kurdischen Kulturzentrum in Hanau, wo zahlreiche Menschen in dieser schweren Stunde an ihrer Seite stehen und ihren Schmerz teilen.

Wütend sind wir, weil die politischen Verantwortlichen in diesem Land sich rechten Netzwerken und Rechtsterrorismus in diesem Land nicht entschieden entgegenstellen: der NSU, der Anschlag von Halle, der Mord an Walter Lübcke und nun der Terroranschlag in Hanau sind das Ergebnis einer staatlichen Politik, welche sich auf dem rechten Auge blind stellt. Die politische Rhetorik der AfD und ihre Verharmlosung durch die Medien und Politiklandschaft bereiten den Nährboden für den rechten Terror in Deutschland.“

Das schrieb der kurdische Dachverband KON-MED am Donnerstag vormittag. Leute aus den migrantischen Communities teilen nicht nur die Trauer, den Schock und den Schmerz, sondern auch die Frage danach, wie es weiter geht, wie sie sich schützen können vor den alltäglichen rassistischen Anfeindungen, tätlichen Übergriffen und neuen Anschlägen auf ihr Leben.

Die Geschichte zeigt, wie bitter und richtig diese Frage ist: Seien es die Anschläge der frühen 90er Jahre in Rostock, Mölln oder Solingen oder die Mordserie des NSU in den 2000er: Die Opfer, die Betroffenen, die Überlebenden und deren Liebsten standen nicht nur allein da. In allen Fällen kam es sowohl während der Ermittlungen als auch in den Medien zu einer Täter-Opfer-Umkehr. Dönermorde, Glücksspiel, Drogenmilieu – wen wundert es, dass die Bild-Zeitung auch gestern als erstes titelte „Terror oder Bandenkrieg“?

Wichtige Politiker*innen ließen sich nur selten blicken, die vielfachen Morde aus rassistischen Motiven, das Gedenken an die Toten bekamen im öffentlichen Gedächtnis der BRD keinen Platz. Über die gescheiterte Aufklärung der NSU Morde und die beschämende Rolle des VS darin müssen wir heute nicht reden.
Wir müssen auch nicht über den Täter reden. Ein Rassist und Antisemit, augenscheinlich psychotisch, legal im Besitz von Waffen, der beschloss, dass es an der Zeit sei, dem „großen Austausch“ mit der „Vernichtung“ beizukommen.
Worüber wir reden wollen, ist der gesellschaftliche Umgang mit dem Attentat. Der hessische Innenminister Peter Beuth spricht erst nur vom „Terrorverdacht“ und fügt dann zögerlich hinzu, es gäbe Hinweise auf „fremdenfeindliche Motive“. Schon dieser Begriff ist komplett daneben, zeigt er doch, wie der CDU Mann so denkt, wenn er unsere Nachbarn, Kioskbesitzer und Kolleginnen als Fremde bezeichnete. Erst gegen Mittag, nachdem einzelne Politiker von Rassismus und einer Brandmauer gegen die AfD twittern, sieht auch Beuth, das es sich um einen Fall von Rechtsterrorismus handelt. Es ist der gleiche Innenminister der, der trotz diverser Fälle tödlicher rechter Gewalt ein Programm gegen Linksextremismus auflegen ließ.
Erst Anfang der Woche hoben Ermittler eine rechtsterroristische Zelle aus, die 12 Tatverdächtigen stammten aus mehreren Bundesländern, ein Verdächtiger aus NRW.

Eine Spur führt nach Düsseldorf

Auch in Düsseldorf ist eine immer stärkere Radikalisierung und
Gewaltbereitschaft der extremen Rechten festzustellen. Ausdruck findet
diese Entwicklung unter anderem in der “Bruderschaft Deutschland”, die
sich immer mehr überregional vernetzt und ihre Strukturen
ausbaut. Und so verwundert es auch nicht, dass vor wenigen Tagen
mindestens ein Mitglied dieser Gruppierung als “mitgliedschaftlich
Beteiligter” einer “rechtsterroristischen Vereinigung” festgenommen
wurde. Diese sich „Der harte Kern“ nennende Gruppierung soll laut
Generalbundesanwaltschaft “Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und
Personen muslimischen Glaubens” geplant haben, um “bürgerkriegsähnliche
Zustände” herbeizuführen.

Eine Sache springt ins Auge: Ebenso wie beim NSU 2.0 und bei der extrem rechten Prepper Gruppe Nordkreuz, die zum Terrornetzwerk Hannibal zählt, ist auch in diesem Fall mindestens ein Angehöriger der Polizei involviert. Der Fall Hannibal zeigt, wie tief involviert Staatsbeamte, also Angehörige diverser Behörden vom SEK über das LKA über Polizeistationen bis hin natürlich zu Verfassungschutz in rechte Netzwerke sind, diese nicht nur schützen und stärken, sondern auch aktiv dazu beitragen, Morde vorzubereiten und ggf auch durchzuführen.

Und auch wenn die CDU-Chefin Annegret Kramp Karrenbauer den Anschlag verurteilt und nun eine Brandmauer gegen die AfD und deren menschenfressende Ideologie fordert: Es ist ihre eigene Partei, die der AFD in Thüringen in den Arsch gekrochen ist, ihre eigen Partei, die die Werteunion hat, die ganz offen mit der AFD sympathisiert. Auch SPD und Grüne prägen und bedienen einen rassistischen Diskurs um Migrationspolitik: An den Verschärfungen der Asylgesetze, die jeden Tag tödliche Folgen haben, waren sie genauso beteiligt.

Es ist zwar richtig, dass die ständige Hetze der AFD viele Tabus gebrochen hat, dass sie sich immer mehr trauen, ihre Abneigung gegenüber Menschen muslimischer Religion offen zu zeigen, dass die Afd das Klima schafft in dem Menschen meinen, sich gegen den Volkstod verteidigen zu müssen.

Doch dieses Problem kommt keineswegs vom rechten Rand. Die Idee, eine Demokratie die angeblich von extremistischen Rändern in Mangel genommen werden würde, ist falsch.

Tatsache ist: Es werden die Menschen in die Mangel genommen, denen ihr „Deutschsein“ aus irgendwelchen Gründen von Neofaschisten abgesprochen wird. Es sind hessische deutsche Polizeibeamte, Thüringer Landtagsabgeordnete, bayrische Reichsbürger, Düsseldorfer Neonazis, sächsische Innenminsteriumsmitarbeiter, ein Kölner CDU-Kommunalpolitiker, die sich gezielt verbünden, organisieren, trainieren und bewaffnen, um das Leben vom Menschen, die sie als weniger wert einstufen, zu bedrohen. Sie richten Kioskbetreiber hin,erschießen Frisöre und jene die zur falschen Zeit am falschen Ort sind, beschiessen Synagogen-Türen und stellen Sprengstoff her, um Moscheen in die Luft zu jagen. Sie jagen Menschen durch Straßen und zünden Wohnhäuser an. AfD Mitglieder arbeiten in Stadtverwaltungen und Behörden, Bruderschaftler bei den Stadtwerken und in Handwerksbetrieben. Kurz: Sie sind überall vertreten und sitzen nicht an irgendwelchen Rändern. Sie sind Teil der imaginären Mitte. Wie dumm muss man sein, um der ohne hin wissenschaftlich umstrittenen Extremismustheorie weiterhin Glauben zu schenken?

Lasst uns dafür kämpfen, dass die Gefahr von rechts endlich ernst genommen wird und nicht mehr verharmlost, individualisiert und als psychische Krankheit dargestellt wird, egal ob sie als vermeintlich virtueller Hass im Netz erscheint und oder auf der Straße sichtbar wird.

Wir müssen ein Denken und ein Handeln entgegensetzen, dass klar antifaschistisch ist. Wir müssen uns einsetzen und aufstehen für eine offene und plurale Gesellschaft. In der Grenzen nicht zwischen Nationen, Ethnien oder Religionen, nicht zwischen unten und oben, verlaufen, sondern zwischen Antifaschist*innen und Arschlöchern und solchen, die sie schützen und stärken. Wir müssen die Geschichte der Migration feiern und wertschätzen. Wir müssen uns verbünden mit allen, die potentielle Opfer von rechtem Terror sind und sagen: Bleibt, wir sind an eurer Seite.Wir müssen unsere Shisha Bars, Dönerimbisse, unseproblemere Moscheen und Synagogen schützen und verteidigen, wir müssen allen Menschen, die von rechter Gewalt bedroht werden laut und offen sagen: wenn sie euch angreifen, wenn sie euch schlagen, dann sind wir da und schlagen gemeinsam zurück.
Erst recht, wenn der Staat versagt, erst recht, wenn ach so demokratische Parteien den Rechten der Macht wegen in den Arsch kriechen, erst recht wenn Politik und Medien der angeblichen Mitte selbst rassistischen Scheiss verbreiten, erst Recht, wenn Leute in Behörden die uns schützen sollen selbst zu neonfaschistischen Tätern werden.

Wer jetzt nicht kapiert, dass es an der Zeit ist mutig zu sein, Haltung zu beziehen, zu handeln, für einen entschlossenen, zivilgesellschaftlichen Antifaschismus und Antirassismus einzutreten hat die all die Schüsse von Hall bis Hanau nicht gehört oder noch schlimmer: hat sie nicht hören wollen. Ja, wir sind Antifaschist*innen. Macht mit und seid dabei!

Alerta antifaschista

I Furiosi 21/02/2020